Kommunen machen Klima
Reagieren auf die Folgen des Klimawandels
Einer der jüngeren Ratsbeschlüsse kam in Sinzig zustande, mit großer Mehrheit. Die Stadt im Kreis Ahrweiler, 2021 von der Flutkatastrophe heftig getroffen, will ein Klimaanpassungsmanagement installieren. Die Stellenbesetzung ist inzwischen erfolgt, ebenso im benachbarten Remagen. Diese Kommunen befindet sich damit in einer wachsenden Gesellschaft: In Rheinland-Pfalz sind mittlerweile in mehreren Kommunen Klimaanpassungsmanager*innen tätig, so zum Beispiel im Landkreis Neuwied, in der Verbandgemeinde Kirchen (Sieg) und in der Stadt Kaiserslautern.
Seit 2022 werden im Rahmen des Sofortprogramms Klimaanpassung des Bundesumweltministeriums (BMUV) 100 Klimaanpassungsmanager*innen in Kommunen gefördert. Finanziert werden sie über das BMUV-Programm „Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels“, initiiert im Rahmen der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS).
Die Hauptaufgabe von Klimaanpassungsmanager*innen ist laut Rheinland-Pfalz Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen das Erstellen und Umsetzen eines Klimaanpassungskonzeptes. Es soll gemeinsam mit den zuständigen Akteuren, zum Beispiel den verschiedenen Referaten sowie Arbeitsgruppen der Kommune, entwickelt werden. Ziel des Klimaanpassungsmanagements ist es, Anpassungsbelange bei sämtlichen Planungen und Entscheidungen mitzudenken und das Thema strategisch und nachhaltig in der Verwaltung zu verankern.
Weitere Tätigkeiten und Aufgaben:
⇒ Initiierung, Begleitung und Koordination von unter anderem Hitzeaktionsplänen, Begrünungsmaßnahmen, Starkregenvorsorge, Förderung privater Maßnahmen etc.
⇒ Beteiligung, Vernetzung und Koordinierung der relevanten Akteure (Referate der Verwaltung, Arbeitsgruppen, Zivilgesellschaften, Bürger*innen und Unternehmen)
⇒ Vorbereitung von Vorlagen für die Räte sowie die Beantwortung von Anfragen aus der Politik
⇒ Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Organisation, Durchführung und Abwicklung von Veranstaltungen / Kampagnen / Workshops
⇒ Beratung und Unterstützung der Bürger*innen und Unternehmen zur Klimaanpassung
⇒ Abwicklung von Förderprogrammen sowie die Akquise neuer Fördermittel
⇒ Erstellung der jährlichen Umsetzungsberichte zur kontinuierlichen Information des Rates und der Öffentlichkeit sowie Evaluation und Monitoring von Maßnahmen zur Anpassung an Klimawandelfolgen.
In der Regel wird von Klimaanpassungsmanager*innen ein abgeschlossenes Fach- oder Hochschulstudium, zum Beispiel im Bereich Bau-, Raum- oder Ingenieurswissenschaften und / oder ein Studium mit umweltwissenschaftlichem Schwerpunkt verlangt. Auch ein Studium mit Schwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit, zum Beispiel Kommunikationswissenschaften, kann von Vorteil sein. Aktuell bietet deutschlandweit nur die TH Bingen einen Bachelor-Studiengang zum Thema Klimaschutz und Klimaanpassung an.
„Mehr Grün, mehr Schwammstadt, mehr Personal“
Die studierte Raum- und Umweltplanerin Anja Jung (Foto: Benny Hoerle) ist seit April 2021 als Klimaanpassungsmanagerin bei der Stadt Kaiserslautern tätig. Sie erläutert ihre Arbeitsschwerpunkte im Interview.
Wo sehen Sie Chancen und Potenziale, was hat Sie an Ihrer Stelle gereizt?
Vor allem die Vielfalt der Aufgaben und auch die enge, referatsübergreifende Zusammenarbeit. Schon im Studium habe ich mich mit der Klimaanpassung auseinandergesetzt und fand den Bereich sehr interessant. Die Frage, wie die Umsetzung der Theorie in die Praxis in den Städten erfolgt, fand ich sehr spannend. Jede Stadt steht selbstverständlich vor denselben Problemen, ortsspezifische Gegebenheiten erfordern jedoch eine angepasste Vorgehensweise, beziehungsweise ganz spezifische Maßnahmen.
Was sind die Herausforderungen als Klimaanpassungsmanagerin?
Klimaanpassungsmanagement ist ein relativ „junger“ Arbeitsbereich, dessen Rolle in den Kommunen erst noch gefunden und definiert werden muss und der eine dezernatsübergreifende Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Arbeitsbereichen und Abteilungen beinhaltet. Klimaanpassungsmanager*innen sind auf die Mit- und Zusammenarbeit von sämtlichen unterschiedlichen Referaten angewiesen. Arbeitsaufträge und die Art und Weise der Zusammenarbeit müssen klar geregelt sein, genauso wie die notwendigen Personalressourcen.
Klimaschutz und Klimaanpassung müssen in allen Planungen und Projekten mitberücksichtigt werden. Bei Interessenskonflikten, etwa mit anderen städtebaulichen Zielen (zum Beispiel Innenentwicklung vor Außenentwicklung) müssen die Argumente gegeneinander abgewogen werden. Fehlende finanzielle und personelle Ressourcen erschweren die Umsetzung von Maßnahmen zusätzlich.
Eine Herausforderung ist auch der Umgang mit Skeptiker*innen und Klimaleugner*innen sowie Menschen, die von dem Thema übersättigt sind. Des Weiteren ist Klimaanpassung nicht immer unmittelbar sichtbar und das Aufzeigen der langfristigen Wirkung oftmals schwierig.
Stehen Sie im Austausch zu anderen Klimaanpassungsmanager*innen?
Es gibt ein eigenorganisiertes bundesweites Netzwerk von Klimaanpassungsmanager*innen, das sich alle drei Monate online trifft und austauscht. Außerdem gibt es das Mentoring-Programm des Zentrums für Klimaanpassung, das eine Vielzahl von Angeboten zur Verfügung stellt.
Welche Unterstützungsangebote von Bund und Land werden bereits genutzt und wie bewerten Sie diese Angebote?
Die Stelle der Klimaanpassungsmanagerin wird aktuell – und bis Ende März 2024 – über das Förderprogramm des BMUV „Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ finanziert. Vorher konnte zur Finanzierung der Stelle über zwei Jahre auf die alte Kommunalrichtlinie zurückgegriffen werden. Insgesamt gibt es ein umfassendes Angebot an Förderprogrammen mit hohen Förderquoten, allerdings erfordert die Nutzung von Förderprogrammen meist nicht gefördertes Personal zur Projektentwicklung und -umsetzung. Zusätzlich sind die Fristen für Förderanträge meist zu knapp bemessen und die Förderzeiträume von zu kurzer Dauer, um langfristig planen zu können.
Wie steht es um die Akzeptanz von Klimaanpassungsmanager*innen in der kommunalen Verwaltung?
Die Notwendigkeit von Klimaanpassungsmanager*innen wird im Großen und Ganzen gesehen, was sich nicht zuletzt an der Zunahme von Stellenausschreibungen in Kommunen zeigt. Leider fehlen bislang rechtliche Grundlagen für die Klimaanpassung per se, sie ist keine kommunale Pflichtaufgabe. Ein Sonderfall ist beispielsweise die Bauleitplanung; hier bestehen bereits rechtliche Grundlagen. Um die Akzeptanz weiter zu erhöhen, wäre es sinnvoll, das Thema Klimaanpassung auch in Aus- und Fortbildungen sowie Studiengänge der öffentlichen Verwaltung zu integrieren.
Trägt die Bevölkerung Maßnahmen zur Klimaanpassung mit?
Insgesamt ist das Interesse in der Bevölkerung sehr unterschiedlich. Von großer Bedeutung ist für die Bürger*innen die Frage nach der Finanzierbarkeit von Maßnahmen, wie zum Beispiel einer Fassadenbegrünung, die auch mit wiederkehrenden Kosten (wie zum Beispiel Rückschnitt) verbunden ist.
Das Thema Hitzevorsorge ist zunehmend von Interesse, vor allem bei vulnerablen Gruppen, wie zum Beispiel älteren Menschen.
Wo sehen sie die Hauptaufgaben der Klimaanpassung für die Stadt Kaiserslautern in den nächsten zehn Jahren?
Um mit den steigenden Temperaturen umzugehen, ist eine Anpassung der Infrastruktur notwendig. Das beinhaltet auch den Erhalt und die Erhöhung des Grünflächenanteils, insbesondere in den hitzebelasteten Bereichen. Beim Wassermanagement sind multifunktionale Flächen, die auch als Regenrückhalt dienen können, von großer Bedeutung – das Schwammstadtprinzip soll künftig in der Planung berücksichtigt werden. Parallel dazu spielt die Sensibilisierung der Bevölkerung eine große Rolle, insbesondere im Bereich Verhaltensvorsorge – zum Beispiel Hitzeaktionsplan, Objektvorsorge Starkregen – sowie bei Maßnahmen an Bestandsgebäuden.
In welchen Bereichen würden Sie sich mehr Unterstützung wünschen?
Es braucht mehr Personal in den Kommunen. Feste Stellen mit Planungssicherheit sind unerlässlich, um das Thema Klimaanpassung in den Kommunen zu verankern. Kommunales Klimaanpassungsmanagement muss zu einer Pflichtaufgabe werden, mit entsprechenden finanziellen und personellen Mitteln. Hier bedarf es der Unterstützung von Land und Bund.