Privatrechtliche Abschussvereinbarung ersetzt behördliche Abschussfestsetzung
Eine einschneidende Veränderung, die mit den neuen jagdrechtlichen Vorschriften in Rheinland-Pfalz eingetreten ist, betrifft die Abschussregelung für Rot-, Dam-, Muffel- und Rehwild. Grundsätzlich wird auf eine behördliche Abschussfestsetzung verzichtet, die in der Vergangenheit nach Einschätzung der Landesregierung ein deutliches Anwachsen der Schalenwildbestände nicht verhindern konnte.
An ihre Stelle tritt eine privatrechtliche Abschussvereinbarung zwischen dem Eigenjagdbesitzer bzw. der Jagdgenossenschaft und dem Jagdausübungsberechtigten.
Neue Rechtsgrundlagen
Für die Abschussregelung sind § 31 LJG i.V.m. §§ 8 bis 11 LJVO sowie die von der obersten Jagdbehörde herausgegebenen Formblätter maßgeblich. Die Gemeinden sind als Verpächter kommunaler Eigenjagdbezirke sowie als Jagdgenossen in gemeinschaftlichen Jagdbezirken betroffen. Ferner sind sie über die Führung der Verwaltungsgeschäfte für die Jagdgenossenschaften berührt.
Die Erlegung von Schalenwild, außer Schwarzwild, erfolgt im Falle der Jagdpacht auf der Grundlage einer schriftlich geschlossenen Abschussvereinbarung zwischen den Vertragsparteien und in den übrigen Fällen auf der Grundlage einer von der Jagdgenossenschaft oder dem Eigenjagdbesitzer schriftlich erstellten Abschusszielsetzung. Abschussvereinbarung und Abschusszielsetzung sollen auch Regelungen über den Abschuss von Schwarzwild enthalten.
Innerhalb der Bewirtschaftungsbezirke für Rot-, Dam- und Muffelwild läuft die Abschussregelung über die Hegegemeinschaften, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts neu entstehen. Sie erstellen für ihren Zuständigkeitsbereich einen Gesamtabschussplan und teilen ihn auf die einzelnen Jagdbezirke in Form von Teilabschussplänen auf. Die Hegegemeinschaften werden aber frühestens zum Jagdjahr 2011/2012 abgegrenzt und konstituiert sein. Bis zu diesem Zeitpunkt wird der Abschuss auch hier über die Abschussvereinbarung zwischen Verpächter und Pächter geregelt.
Mehrjährige Rehwild-Abschusspläne nach altem Jagdrecht gelten nach § 53 Abs. 2 LJG mit ihrer Laufzeit als Mindestabschusspläne fort. Eine Abschussvereinbarung für Rehwild ist in diesen Fällen demgemäß nicht erforderlich.
Nur in den Fällen, in denen die getroffenen Abschussvereinbarungen nach ihrer Form oder ihrem Inhalt nicht den Erfordernissen gerecht werden, setzt die untere Jagdbehörde einen behördlichen Abschussplan fest. Dabei handelt es sich um einen Mindestabschussplan, der zwingend mit dem körperlichen Nachweis des erlegten Schalenwildes verbunden ist. Die Nichterfüllung des Mindestabschussplans wird als Ordnungswidrigkeit geahndet.
Abläufe, Zuständigkeiten und Inhalte
Verpächter und Pächter führen im Vorfeld eine gemeinsame Revierbegehung durch, weitere Betroffene (Jagdgenossen, Landwirte, Bürger) können daran teilnehmen. Dabei werden die Wildschadenssituation sowie der erforderliche Schalenwildabschuss des folgenden Jagdjahres thematisiert. Bezüglich der Wildschadenssituation im Wald kann der zuständige Forstrevierleiter Hilfestellung geben. Er sollte in die gemeinsame Revierbegehung in jedem Fall einbezogen werden, wenn Waldflächen betroffen sind.
Im Anschluss wird der Schalenwildabschuss für das kommende Jagdjahr zwischen Verpächter und Pächter in der Abschussvereinbarung festgelegt. Im Zuge dieser Vereinbarung soll über die erforderliche Abschusshöhe einvernehmlich entschieden werden. Die Initiative geht dabei vom Pächter aus, der mit einem zu verhandelnden Vorschlag über die Abschusshöhe an den Verpächter herantritt. Nach dem Willen des Gesetzgebers handelt es sich um Verhandlungen „auf Augenhöhe“!
Die Abschussvereinbarung soll auch Regelungen zum Abschuss von Schwarzwild enthalten, ansonsten unterliegt sie der Beanstandung durch die untere Jagdbehörde und ggf. wird ein Mindestabschussplan festgesetzt. In diesem Zusammenhang sind die Bedenken seitens der Jägerschaft hinsichtlich schwieriger Bejagungsbedingungen und hinsichtlich eines unsteten Bejagungserfolgs sicher berechtigt. Gleichwohl helfen in der Abschussvereinbarung allgemeine Appelle („ganzjährige intensive Bejagung“) vielerorts allein nicht weiter.
In Abhängigkeit von den örtlichen Verhältnissen sind konkrete Vereinbarungen in Form von (Mindest-) Abschusszahlen vorteilhaft, die am Ende des betreffenden Jagdjahres eine Standortbestimmung hinsichtlich der Bejagung („Bilanz ziehen“) ermöglichen. Besonders für die dann anstehende Abschussvereinbarung für das Folgejahr wird der Vollzug des abgelaufenen Jagdjahres von Bedeutung sein.
Bei einer Nichterfüllung des vereinbarten Schwarzwildabschusses und der dann zu stellenden Frage nach den Folgen kommt es auf die Begleitumstände an: Sollte trotz intensiver jagdlicher Bemühungen der Schwarzwildabschuss aufgrund geringen Vorkommens nicht erzielt werden können, dürfte das regelmäßig mit reduzierten Wildschäden einhergehen. Dem eigentlichen Ziel der Abschussregelung und dem Interesse des Verpächters wäre dann in vollem Maße Rechnung getragen, eine Sanktionierung der Nichterfüllung des vereinbarten Abschusses durch den Verpächter folglich nicht erforderlich und auch nicht angebracht.
Im Rahmen der „Zusätzlichen Vereinbarungen“, die in den Formblättern der obersten Jagdbehörde vorgesehen sind, können weitere Punkte vereinbart werden, um den Abschuss des Schalenwildes flexibel an die örtlichen Umstände anzupassen. In Betracht kommen beispielsweise die Verpflichtungen, eine konkrete Anzahl von revierübergreifenden Bewegungsjagden durchzuführen, eine Gewichts- und Altersbeschränkung bei der Schwarzwildbejagung zu unterlassen sowie einen körperlichen Nachweis zur Abschusskontrolle zu führen.
Darüber hinaus können Sanktionsmaßnahmen für den Fall der Nichterfüllung des Abschusses vereinbart werden, beispielsweise eine Vertragsstrafe. Die konkrete Anwendung sollte nicht zwangsläufig erfolgen, sondern im Einzelfall im Ermessen des Verpächters stehen.
Für das Vorkommen von Rot-, Dam- oder Muffelwild außerhalb ihrer Bewirtschaftungsbezirke sind die Abschussvereinbarungen darauf abzustellen, alle vorkommenden weiblichen Stücke und Jungtiere zu erlegen (vgl. § 31 Abs. 4 LJG). Darüber hinaus kann hier der Abschuss von männlichen Stücken, mit Ausnahme von doppelseitigen Kronenhirschen, vereinbart werden.
Lautet das „Waldbauliche Gutachten“, welches die Wildschadenssituation im Wald beschreibt, in den betreffenden Jagdbezirken auf „erheblich gefährdet“, so setzt die untere Jagdbehörde für die betreffende Wildart einen Mindestabschussplan fest. Eine Abschussvereinbarung ist in diesen Fällen nicht erforderlich. Ein solcher Mindestabschussplan kann auch bei Beeinträchtigung weiterer Belange (z. B. Landwirtschaft, seuchenrechtliche Aspekte) von der Behörde festgesetzt werden.
Die getroffene Abschussvereinbarung muss vom Pächter der unteren Jagdbehörde angezeigt werden. Sofern die Behörde keine Beanstandung erhebt, erlangt die Abschussvereinbarung Gültigkeit. Im Falle einer behördlichen Beanstandung haben die Vertragsparteien (Verpächter und Pächter) die Gelegenheit, ihre Abschussvereinbarung nachzubessern und erneut bei der unteren Jagdbehörde vorzulegen. Kommt keine oder endgültig keine anspruchsgerechte Abschussvereinbarung zustande, führt auch das zur Festsetzung eines behördlichen Mindestabschussplanes.
Ausblick
Mit der Abschussregelung wird in Rheinland-Pfalz, und darüber hinaus auch bundesweit, Neuland beschritten. Die Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer sowie die Jagdausübungsberechtigten gestalten den Schalenwildabschuss vom Grundsatz her in eigener Verantwortung. Dies bietet die Chance, örtliche Gegebenheiten umfassend zu berücksichtigen. Langjährige Problemfelder, wie erhebliche Verbiss- und Schälschäden im Wald, können gemeinsam angegangen werden. Erforderlich sind zum einen ein hohes Verantwortungsbewusstsein und zum anderen das Wissen um die jagdrechtlichen Neuregelungen und die sich ergebenden Gestaltungsspielräume.
Der Gemeinde- und Städtebund hat zur Unterstützung der Kommunalverwaltungen und der ehrenamtlich tätigen Ortsbürgermeister und Jagdvorsteher zum Jahresbeginn 2011 den Fachbeirat „Forst und Jagd“ ins Leben gerufen, der als zentrale Dienstleistung eine Vor-Ort-Beratung anbietet. Die Resonanz ist äußerst positiv. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt haben fast 50 Verbandsgemeinden und Städte für die jeweiligen Jagdgenossenschaften und kommunalen Eigenjagdbesitzer die Mitgliedschaft erworben. Eine Vielzahl von örtlichen Informationsveranstaltungen und Gesprächsterminen wird durchgeführt oder befindet sich in Planung.
Der Gemeinde- und Städtebund appelliert: Nutzen Sie die Chance, die das neue Jagdrecht bietet! Nutzen Sie das neue Dienstleistungsangebot im Rahmen unseres Fachbeirats „Forst und Jagd“!
I. Abschussvereinbarungen (Abschusszielsetzungen)
1. Aushandlung und Formulierung einer gemeinsamen Abschussvereinbarung für das kommende Jagdjahr zwischen Verpächter und Pächter unter Verwendung der Formblätter der Jagdbehörde (erhältlich über untere Jagdbehörde):
- Ausgangswert für die Höhe des Schalenwildabschusses: Erzielte Abschussergebnisse in den Vorjahren (Auskunft über untere Jagdbehörde)
- Weiser für anzustrebende Abschusshöhe: Wildschadenssituation und -entwicklung im Jagdbezirk, z. B. anhand „Waldbaulichem Gutachten“ (erhältlich bei der unteren Jagdbehörde oder Forstamt), Folgerungen aus der Revierbegehung, Wildschadensfälle und -verfahren im Vorjahr etc.
- Dabei sollten nach Möglichkeit sowohl die Umstände in benachbarten Jagdbezirken (Vorjahresstrecken, Wildschadenssituation) beachtet als auch landesweite Entwicklungen („Schwarzwildjahr erwartet“ u.ä.) berücksichtigt werden
- „Zusätzliche Vereinbarungen“ treffen, um ggf. revierspezifischen Besonderheiten gerecht zu werden und um ggf. den Vollzug der Abschussvereinbarung sicherzustellen
2. Vorlage der unterzeichneten Abschussvereinbarung bei der unteren Jagdbehörde durch den Pächter (Frist: 15. März)
3. Prüfung der vorgelegten Abschussvereinbarung durch die untere Jagdbehörde. Abgleich mit ggf. vorliegenden oder angeforderten fachbehördlichen Stellungnahmen bezüglich der Wildschadenssituation. Die untere Jagdbehörde kann innerhalb einer Frist von 4 Wochen gegenüber dem Pächter die vorgelegte Abschussvereinbarung beanstanden:
a. Keine Beanstandung - Abschussvereinbarung hat Gültigkeit
b. Beanstandung (gegenüber Pächter) - Nachbesserung Abschussvereinbarung
(Nachbesserung nach Inhalt/Form durch Verpächter und Pächter und erneute Vorlage bei der unteren Jagdbehörde, weiter bei 3 a oder 3 d)
Erkennt die untere Jagdbehörde (unabhängig von vorgelegten Abschussvereinbarungen) eine erhebliche Beeinträchtigung berechtigter Belange nach § 31 Abs. 1 LJG, wird ein behördlicher Mindestabschussplan mit körperlichem Nachweis mit Wirkung gegenüber dem Pächter festgesetzt. Selbiges geschieht in der gleichen Weise, wenn der Beanstandung einer vorgelegten Abschussvereinbarung auch durch die Nachbesserung nicht abgeholfen werden kann.
c. Erhebliche Beeinträchtigung berechtigter Belange - Mindestabschussplan
d. Nicht abgeholfene Beanstandung (aus 3 b) - Mindestabschussplan
II. Teilabschusspläne
(nur in ausgewiesenen Bewirtschaftungsbezirken für Rot-, Dam- oder Muffelwild, ab dem Jagdjahr 2012/2013)
1. Die Hegegemeinschaft erstellt für ihren Zuständigkeitsbereich einen Gesamtabschussplan, es erfolgt eine jagdbezirksscharfe Aufteilung in Teilabschusspläne. Dabei werden von Verpächter und Pächter gegenüber der Hegegemeinschaft erstellte, formlose revierbezogene Stellungnahmen über die Höhe des Schalenwildabschusses berücksichtigt (zur Herleitung einer Abschusshöhe siehe I.1.).
2. Der erstellte Teilabschussplan wird von der Hegegemeinschaft dem Verpächter (Jagdrechtsinhaber) zur Zustimmung vorgelegt. Der Verpächter trifft eine Entscheidung, ob er dem vorgelegten Teilabschussplan zustimmen kann. Die Zustimmung des Verpächters zum Teilabschussplan ist obligatorisch erforderlich und wird mit Unterzeichnung durch den Verpächter dokumentiert. Falls die Zustimmung nicht erfolgt, bessert die Hegegemeinschaft den erstellten Teilabschussplan nach und legt ihn dem Verpächter erneut zur Zustimmung vor.
3. Vorlage des zugestimmten Teilabschussplans bei der unteren Jagdbehörde durch die Hegegemeinschaft (Frist: 30. April).
4. Prüfung des vorgelegten Teilabschussplans durch die untere Jagdbehörde. Abgleich mit ggf. vorliegenden oder angeforderten fachbehördlichen Stellungnahmen bezüglich der Wildschadenssituation. Sie kann innerhalb einer Frist von 4 Wochen gegenüber der Hegegemeinschaft den vorgelegten Teilabschussplan beanstanden:
a. Keine Beanstandung - Teilabschussplan hat Gültigkeit
b. Beanstandung - Nachbesserung Teilabschussplan
(Nachbesserung nach Inhalt/Form durch die Hegegemeinschaft, Einholung der Zustimmung des Verpächters und erneute Vorlage bei der unteren Jagdbehörde, weiter bei 4 a oder 4 d)
Erkennt die untere Jagdbehörde (unabhängig von vorgelegten Teilabschussplänen) eine erhebliche Beeinträchtigung berechtigter Belange nach § 31 Abs. 1 LJG, wird ein behördlicher Mindestabschussplan mit körperlichem Nachweis mit Wirkung für den Pächter festgesetzt. Selbiges geschieht in der gleichen Weise, wenn der Beanstandung eines vorgelegten Teilabschussplans auch durch die Nachbesserung nicht abgeholfen werden kann.
c. Erhebliche Beeinträchtigung berechtigter Belange - Mindestabschussplan
d. Nicht abgeholfene Beanstandung (aus 4 b) - Mindestabschussplan
Quelle: Gemeinde und Stadt April 2011
Autoren: Georg Bauer
Referent im Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz
Dr. Stefan Schaefer
Referent im Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz