Was ist in einzelnen Gemeinden und Städten wie in der Verbandsgemeinde Maikammer mit Bürgermeisterin Gabriele Flach normal zu sein scheint, ist tatsächlich sowohl in Bayern als auch in Rheinland-Pfalz die Ausnahme: eine Bürgermeisterin. Wie der Frauenanteil erhöht werden kann, aber auch die Rahmenbedingungen verbessert werden können, waren zentrale Themen des Netzwerktreffens von 25 Bürgermeisterinnen aus Rheinland-Pfalz und Bayern, das am 27. und 28. Februar in Maikammer tagte.
Ein höherer Frauenanteil ist nicht nur aus demokratischen Gesichtspunkten wichtig – Frauen machen schließlich die Hälfte der Gesellschaft aus –, sondern insbesondere auch, weil Frauen Kompetenzen, Sichtweisen und Alltagserfahrungen in die Kommunalpolitik einbringen können, die unverzichtbar sind, um die örtliche Gemeinschaft zu stärken.
Frauenförderung auch 2023 noch Thema
Der geringe Frauenanteil hat verschiedene Gründe. Untersuchungen zeigen, dass Frauen oft später auf die Kommunalpolitik stoßen. „Das liegt oft am Faktor Zeit. Ein Großteil der Kinderbetreuung und des Familienmanagements liegt nach wie vor bei den Frauen. Viele steigen erst ein, wenn die Kinder schon größer sind. Männer, die schon früher in der Kommunalpolitik unterwegs sind, sind meist schon besser vernetzt. Und wer vernetzt und bekannt ist, wird eher für eine Kandidatur nominiert“, erläutert die Sprecherin des GStB-Netzwerks Bürgermeisterin Christiane Horsch. Auf die Frage, ob man 2023 überhaupt noch Frauenförderung brauche, hat GStB-Geschäftsführer Dr. Karl-Heinz Frieden eine deutliche Antwort: „Ein klares ja. Ein höherer Frauenanteil ist nicht nur aus demokratischen Gesichtspunkten wichtig – Frauen machen schließlich die Hälfte der Gesellschaft aus –, sondern insbesondere auch, weil Frauen Kompetenzen, Sichtweisen und Alltagserfahrungen in die Kommunalpolitik einbringen können, die unverzichtbar sind, um die örtliche Gemeinschaft zu stärken. Auch deshalb ist das Netzwerk für den GStB sehr wichtig.“
Änderungen der Gemeindeordnung für eine bessere Vereinbarkeit
Für Dr. Frieden und Staatssekretär Daniel Profit, der herzliche Grüße der erkrankten Ministerin überbrachte, dürfte es als einzige männliche Teilnehmer der Sitzung ein ungewohntes Gefühl gewesen sein. Profit stellte die aktuellen Änderungen der Gemeindeordnung vor, welche mit der Ermöglichung von Ratssitzungen im Hybridformat, der besseren Erstattung von Babysitter- bzw. Betreuungskosten pflegebedürftiger Angehöriger für Ratsmitglieder und einer reduzierten Vor- und Nacharbeitspflicht bei flexiblen Arbeitszeiten bzw. einem vorgegebenen Arbeitszeitrahmen die bessere Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt zum Ziel hat. Profit machte aber auch deutlich, dass Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen wichtig seien, es aber auch auf weitere Aspekte ankomme. Er hob hervor, dass Frauenförderung kein reines Frauenthema sei. Vielmehr müssen die Männer hier genauso tätig werden, damit Änderungen vollzogen werden können.
Wir können es uns im Hinblick auf die nächste Kommunalwahl nicht mehr leisten, auf ehrenamtliche Ortsbürgermeisterinnen und Gemeinderatsmitglieder zu verzichten.
Rahmenbedingungen Ehrenamt
„Wir können es uns im Hinblick auf die nächste Kommunalwahl nicht mehr leisten, auf ehrenamtliche Ortsbürgermeisterinnen und Gemeinderatsmitglieder zu verzichten“, hob die Sprecherin des GStB-Netzwerks Bürgermeisterin Horsch mit Blick auf 2024 hervor. Es werde nicht nur deren Sachverstand benötigt, sondern auch deren aktive Beteiligung im Ehrenamt. Ohne Frauen, auch in der Kommunalpolitik, wird in Rheinland-Pfalz die ehrenamtliche Struktur der Ortsgemeinden nicht mehr auf Dauer aufrecht zu erhalten sein. Deutlich wurde im Rahmen der Sitzung, dass die Rahmenbedingungen für das kommunale Ehrenamt nicht nur für Frauen, sondern allgemein weiterer Verbesserungen bedürfen. Insoweit wird der Schulterschluss mit dem Arbeitskreis Ortsgemeinden und ehrenamtlich geführte Städte (AKOS) gesucht.
Wird über den geringen Frauenanteil gesprochen, heißt es sehr schnell, dass Frauen gar nicht in das Bürgermeisteramt wollen. Tatsache ist aber, dass oft das in den Parteistrukturen etablierte Prinzip `Männer nominieren Männer` greift.
„Die wollen ja nicht?“
„Wird über den geringen Frauenanteil gesprochen, heißt es sehr schnell, dass Frauen gar nicht in das Bürgermeisteramt wollen. Tatsache ist aber, dass oft das in den Parteistrukturen etablierte Prinzip `Männer nominieren Männer` greift“, berichtet Bürgermeisterin Dr. Birgit Kreß, zweite Vizepräsidentin des Bayerischen Gemeindetags und Vertreterin der Arbeitsgemeinschaft Frauen führen Kommune des BayGT. Eine Auswertung des Wählerverhaltens durch den Landeswahlleiter Rheinland-Pfalz in 2008 bestätigt: „Obere Listenplätze sind eher ein Garant für eine Wahl. Frauen sind aber häufiger auf der unteren Hälfte der Liste zu finden“. In mehreren bayerischen Kommunen haben daher Frauen bei den Kommunalwahlen 2020, aber auch schon bei vorangegangenen Wahlen, einen pragmatischen Weg gewählt, als die Parteien den weiblichen Kandidatinnen (wieder mal) die hinteren Listenplätze zugewiesen hatten. Alle Bewerberinnen bildeten unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit eine eigene Frauenliste.
Gezielte Ansprache
Frauen kommen häufiger durch Impulse von außen, von Partei, Familie oder Freunden zum Amt. Männer haben häufig schon früh das konkrete Karriereziel Bürgermeister. Einigkeit bestand daher unter den Teilnehmerinnen, dass hier entsprechend anzusetzen ist. Gerade Mentorenprogramme können hier viel leisten und die Erfahrungen hiermit sowohl in Bayern als auch in Rheinland-Pfalz sind gut.
Vorbilder sichtbar machen
Nicht zu unterschätzen ist auch die Bedeutung von Vorbildern, so ein weiteres Ergebnis des Austausches. In Bayern steht „Die Gemeinde“ in der 4. Klasse fest im Lehrplan – eine Forderung, die der GStB mit Blick auf die Nachwuchsgewinnung für das kommunale Ehrenamt allgemein bereits gegenüber der Landesregierung vorgetragen hat. Zur Sichtbarkeit von Vorbildern sollte auch bewusst Tage wie der Girls Day oder der Vorlesetag genutzt werden. Wenn es für ein Kindergartenkind normal ist, dass die Gemeinde oder Stadt oder eben die Nachbargemeinde eine Bürgermeisterin an der Spitze hat, trägt das dazu bei, dass künftig Frauen nicht mehr als Exotinnen in der Kommunalpolitik wahrgenommen werden und sicher hilft es auch, dass ein Mädchen oder eine junge Frau den Berufswunsch Bürgermeisterin für sich entdeckt. Denn es gibt kaum einen Beruf bzw. ein Amt, bei dem man mehr für die Lebensqualität der Menschen vor Ort gestalten kann.
100 Ärzte haben während der Pandemie festgestellt, dass… Welches Bild haben Sie dabei im Kopf? Die wenigsten würden wohl antworten, dass sie an eine (gemischte) Gruppe von Männern und Frauen gedacht haben.
Macht der Sprache
Gerade Sprache hat eine große Relevanz für die Präsenz von Vorbildern. Cornelia Hesse, Direktorin beim Bayerischen Gemeindetag verdeutlicht dies an einem Beispiel: „100 Ärzte haben während der Pandemie festgestellt, dass… Welches Bild haben Sie dabei im Kopf? Die wenigsten würden wohl antworten, dass sie an eine (gemischte) Gruppe von Männern und Frauen gedacht haben.“ Deshalb ist die Mustergeschäftsordnung in Bayern mittlerweile nicht allein auf das Amt des Bürgermeisters bezogen, sondern spricht von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern. Die Diskussion in der Öffentlichkeit bezieht sich derzeit vor allem auf das Gendern und ist emotional hoch aufgeheizt. Da geht leider schnell unter, dass es bereits eine Frage der Höflichkeit ist, die Bürgermeisterin auch als solche anzusprechen. Vorsicht ist allerdings bei der Amtssprache geboten. In Rheinland-Pfalz ist aktuell ein Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit einer Satzung anhängig, die mit der Bezeichnung „Bürgermeisterin“ ausgezeichnet und angegriffen wurde, da die Gemeindeordnung lediglich das Amt Bürgermeister vorsieht.
MFFKI-Projektgruppe „Mehr Frauen in die Kommunalpolitik“
Auch die rheinland-pfälzische Landesregierung hat mittlerweile die Bedeutung des Themas aufgegriffen. Die im Sommer 2022 aus Vertreterinnen der Landfrauenverbände, der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, des Städte- und Gemeindebundes und der Frauenabteilung des Ministeriums für Familie, Frauen, Kultur und Integration gegründete Projektgruppe hat mittlerweile einen Maßnahmenkatalog erarbeitet, den GStB-Geschäftsstellenleiterin Agneta Psczolla in Maikammer vorstellte. Hierzu gehören eine Öffentlichkeitsinitiative mit einer Social Media Kampagne sowie einer Informationsplattform, die Stärkung von überparteilichen Netzwerken und Empowerment-Programmen in Zusammenarbeit mit der Kommunal-Akademie.
Das GStB-Netzwerk ist gut. Ich hoffe aber trotzdem, dass wir ein solches bald nicht mehr brauchen und wir nicht mehr den Exotinnen-Status innehaben.
Raus aus dem Exotinnenstatus
„Das GStB-Netzwerk ist gut. Ich hoffe aber trotzdem, dass wir ein solches bald nicht mehr brauchen und wir nicht mehr den Exotinnen-Status innehaben“, betont Ortsbürgermeisterin Margit Schillo und bekam dafür einhellig Zustimmung von den Kolleginnen. Schließlich ist der Austausch mit den männlichen Kollegen genauso wertvoll und bringt einen weiter – auch wenn es dann nicht um spezifische Frauenthemen geht, wie der Umgang man mit Berührungen oder Kommentaren zur Bekleidung.