Erster Deutscher Frauenkongress kommunal in Mainz
Der Anteil an Frauen in der Kommunalpolitik sinkt seit Jahren. Nicht einmal jeder zehnte Bürgermeister in Deutschland ist eine Bürgermeisterin. Frauen sind auch in den Kommunalparlamenten eher die Ausnahme. Ein Kongress sucht Antworten auf die Fragen, woran das liegt und was dagegen getan werden kann.
„Warum können Ausschusssitzungen eigentlich nicht online stattfinden? Warum wird während der Sitzungen keine Kinderbetreuung angeboten? Wer Parität erreichen will, muss Angebote machen!“ Mit diesen Fragen und Ideen eröffnete Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, den Kongresses am 3. September in Mainz. Angebote zu machen ist tatsächlich ein wichtiger Baustein, wie zahlreiche Frauen in den Gesprächsrunden immer wieder betonten. Da geht es um die Kinderbetreuung ebenso wie im die Vernetzung von Frauen.
„Meine größten Skeptiker sind nicht Männer, sondern Frauen. Wir müssen uns viel besser vernetzen und gegenseitig unterstützen“, erklärte etwa Birgit Kreß. Sie ist erste Bürgermeisterin in Markt Erlbach in Bayern. Sie war eine der Diskussionsteilnehmerinnnen bei der Podiumsdiskussion. Ein Eindruck, den zahlreiche andere Frauen teilten. Den Grund dafür beschrieb auf der Podiumsdiskussion die Bürgermeisterin von Walldorf, Christine Staab an einem plastischen Beispiel: „Erfolgreiche Frauen, das kratzt bei vielen anderen Frauen am eigenen Bild. Da denkt sich manche: Die hat vier Kinder und kriegt das auf die Reihe, ich schaffe das mit einem Kind nicht... Der Neidfaktor von Frauen untereinander führt dazu, dass viele Frauen andere Frauen verhindern wollen“, so die Erkenntnis der Bürgermeisterin.
„Bürgermeisterin ist man mit ganzem Herzen. Da gehst du in die Stadt und willst dir einen Pullover kaufen und kommst zurück mit einem langen Aufgabenzettel!“ Auch mit diesem Zitat sprach Bundesministerin Giffey den rund 150 Teilnehmerinnen aus der Seele. Dass viele Frauen ihr Ehrenamt oder auch ihr Hauptamt lieben, zeigte sich am besten am Zitat der Ersten Bürgermeisterin von Markt Erlbach, Birgit Kreß. „Der schönste Job auf Erden ist immer noch, in Bayern Bürgermeisterin zu werden“, erklärte sie. Um aber das Amt ausführen zu können, müssen Frauen sich auch gegenseitig stärken.
Dabei spielt auch das Schubladendenken – nicht nur von Männern – eine wichtige Rolle. „Leider ist es auch medial oft wichtiger, wie viele Schläge ich beim Fassanstich auf dem Dorffest benötige, als mein Kita-Programm, das ich erfolgreich auf den Weg gebracht habe", hat Dietlind Grabe-Bolz, die Oberbürgermeisterin der Stadt Gießen häufig erlebt. Bundesfamilienministerin Giffey skizzierte in ihrer Rede auch die besondere Bedeutung des Themas für die Kommunen: „Wir feiern dieses Jahr das Jubiläum »100 Jahre Frauenwahlrecht«. Ein Recht, das Frauen in harten Auseinandersetzungen erkämpft haben. Wir sind weit gekommen seitdem, aber der Weg ist noch lang. Wenn die Hälfte der Bevölkerung aus Frauen besteht, kann man eigentlich niemandem erklären, warum das in der Politik nicht auch so sein sollte. Eines ist klar: Frauen können alles. Das ist Fakt und Forderung zugleich“, machte Giffey den Anwesenden Mut.
Frauenalltag in der Kommune – was geht, was wird, was soll?
In kurzen Schlaglichtern gaben die Referentinnen aus den unterschiedlichsten Bereichen – von der Fraktionsvorsitzenden, über die Feuerwehrfrau, Bürgermeisterin, Gewerkschaftlerin oder der Vorsitzenden eines kommunalen Wirtschaftsbetriebs – Einblick in ihren Werdegang, ihre Erfahrungen und Herausforderungen. „Man darf nicht einfach abwarten, dass man gesehen wird. Man muss sich auch bemerkbar machen und artikulieren, dass man gerne bereit ist, neue Herausforderungen und Führungsaufgaben anzunehmen“, so der persönliche Tipp für den weiblichen Nachwuchs von Jeanette Wetterling, Vorstandsvorsitzende des Wirtschaftsbetriebs Mainz AöR. Wetterling betonte zugleich die Verantwortung der Kommunen als Arbeitgeber. Die Mainzer Wirtschaftsbetriebe bieten mittlerweile ein Jobsharing-Modell für Führungskräfte an. Ganz nach dem Prinzip „nicht nur reden, sondern machen“ und eben nicht eine Aufteilung der Arbeit nach Kundenakten von A bis H und I bis Z.
Paritätsgesetz als Lösung?
Die rheinland-pfälzische Frauen- und Familienministerin Anne Spiegel plädierte für ein Umdenken weg von der Vorstellung, nur ein stets verfügbarer Politiker sei ein guter. Es müsse selbstverständlich werden, dass Mütter auch ein Baby zur Ratssitzung mitbringen. Spiegel sprach sich zudem für ein Paritätsgesetz aus, um einen höheren Anteil an Frauen in den Parlamenten zu bewirken: „Die Zeit der Appelle ist vorbei!“ So werde das Land nun die rechtliche Überprüfung der bereits in Brandenburg beschlossenen und in Thüringen auf den Weg gebrachten Gesetze mit großem Interesse beobachtet. Eine gesetzliche Vorgabe zur paritätischen Besetzung von Stellen und Ämtern wurde jedoch auch kritisch gesehen. „Egal, ob ich mit einer Frau oder einem Mann ins Feuer gehe – für mich ist wichtig, dass ich mich auf die anderen verlassen kann und nicht, dass die Kollegin aufgrund eines Gesetzes im Dienst ist,“ betonte Rebecca Gorißen, Feuerwehrfrau der Berufsfeuerwehr Frankfurt und der Freiwilligen Feuerwehr Bad Homburg v. d. H. Die Arbeit und die schweren Geräte seien für alle die gleichen. Im Gegensatz zur Polizei gibt es bei der Feuerwehr keinen geschlechterspezifischen Aufnahmetest. Jede und jeder, die oder der ihn besteht, ist gleichermaßen geeignet. „Wir brauchen aber mehr weibliche Vorbilder. In Kinderbüchern muss man meist Feuerwehrfrauen noch suchen,“ so Gorißen. Nachdenklich stimmten auch mehrere Berichte zu den vergangenen Kommunalwahlen. Trotz Besetzung der ersten Listenplätze mit weiblichen Kandidaten muss in der Wählerschaft auch das Vertrauen gestärkt werden, dass auch Frauen genauso gute und kompetente Ratsfrauen sind.
Konkrete Beschlüsse auf dem Frauenkongress
Auf dem Frauenkongress wurde zudem die „Mainzer Resolution“ für mehr Frauen in Führungsverantwortung in Kommunen vorgestellt. Darin fordert der Deutsche Städte- und Gemeindebund unter anderem ein Leitbild Frauenförderung in der Kommunalpolitik. So sollen etwa die Sitzungen in den Kommunalparlamenten familienfreundlicher ausgestaltet werden, sowohl was Tagungszeiten als auch Teilnahmeverpflichtungen betrifft. Auch die Themen Nachwuchsgewinnung und Etablierung eines positiven Leitbildes der Kommunalpolitik werden aufgegriffen. Schließlich sollten auch Mentoringprogramme auf Bundes- und Landesebene weiter ausgeweitet werden. Die Mainzer Resolution ruft die Kommunalpolitikerinnen dazu auf, weibliche Netzwerke zu bilden und einander zu unterstützen. „Wenn es darauf ankommt, gilt derzeit leider immer noch viel zu häufig das Prinzip Männer fördern Männer“, stellte Landsberg fest.
Im kommenden Jahr soll erneut ein Frauenkongress stattfinden und die angesprochenen Themen und Netzwerke weiter vertiefen.
Autor: Christian Erhardt, Chefredakteur der Zeitschrift Kommunal