Verwaltungsmodernisierung – proaktiv gesteuert schon seit 50 Jahren
Wenn man sich im Jahre 2022 die wirtschaftliche Betätigung des Gemeinde- und Städtebundes – und hier insbesondere im Rahmen seiner Beteiligungen – anschaut, ist die Frage nach der Intention eines solchen Engagements für einen kommunalen Spitzenverband unvermeidlich. Motivation und Triebkraft für den Gemeinde- und Städtebund, der als erster der kommunalen Spitzenverbände sich außerhalb der originären Interessenvertretung diesen Fragen stellte, war die Erkenntnis, dass gerade in Themen der Verwaltungsmodernisierung ein proaktives und steuerndes Handeln unvermeidlich sein wird.
Die Frage der Partizipation und der Sicherung der Möglichkeit, möglichst früh an Entscheidungen der Verwaltungsmodernisierung entscheidend mitwirken zu können, war die Hauptmotivation. Beginnend mit der Beteiligung an der OrgaSoft Kommunal und der Implementierung moderner Datenverarbeitung bis hin zu komplexen energiewirtschaftlichen Beratungen im Rahmen der Kommunalberatung Rheinland-Pfalz GmbH stand die Sicherung von Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten für den Gemeinde- und Städtebund bei all seinen Entscheidungen wirtschaftlicher Betätigung im Vordergrund. Und die Komplexität der heutigen Verfahrensprozesse und der Anforderungen an modernes Verwaltungshandeln geben diesen frühzeitigen Entscheidungen zur wirtschaftlichen Betätigung im Nachhinein nicht nur die Legitimation, sondern lassen die damalige Entscheidung als zukunftsgerichtet und innovativ erscheinen. Daher sei ein Blick auf die Anfänge und die hieraus entstandenen Entwicklungen erlaubt, schärft er doch das Bewusstsein für die Zukunft und deren Herausforderungen.
Fragen zukunftsgerichteter Datenverarbeitung
Seit Anfang der 1970er Jahre verdichtete sich für den Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz die Notwendigkeit, sich strukturell und entscheidungserheblich den damals relevanten Fragen zukunftsgerichteter Datenverarbeitung zu stellen und für den Mitgliedsbereich Lösungen zu erarbeiten. Neben Ewois – dem landeseinheitlichen Meldewesen – ist vor allem das damalige Rechenzentrumsverfahren FIN-KOM zu nennen. Dieses Finanzwesen-Verfahren des Gemeinde- und Städtebundes für seine Mitgliedsverwaltungen wurde in den Kommunalen Gebietsrechenzentren, den sog. KGRZs, in Koblenz, Mainz und Ludwigshafen sowie im Rechenzentrum der LKS Datenservice in Saarbrücken betrieben und der OrgaSoft Consulting GmbH (OSC), der Vorgängergesellschaft der heutigen OrgaSoft Kommunal, supportet. Mit der Wahrnehmung der Aufgabe wuchs zugleich die Idee, eine eigenständige rechenzentrums-unabhängige Gesellschaft für die vorgenannten Aufgabenbereiche zu haben. Die Verbindung des Gemeinde- und Städtebundes mit der OSC bestand zu diesem Zeitpunkt in einer vertraglichen Übereinkunft, die die Aufgaben der Programmpflege und -betreuung an die OSC übertrug, wobei die Akquisition neuer Anwender-Verwaltungen durch die Geschäftsstelle des Gemeinde- und Städtebundes unter maßgeblicher Beteiligung der Herren Bogner und Steenbock erfolgte.
Statt zentraler Verfahren nun „In-House-Lösungen“
In diese Zeit fiel gleichzeitig die rasche Entwicklung des Marktes der Datenverarbeitung, nämlich weg von rechenzentrumsgestützten zentralen Verfahren hin zu autonomen „In-House-Lösungen“. Diesem Markttrend trug der GStB dadurch Rechnung, indem er 1983 die ersten Programme auf einem Mikrocomputer – damals hießen die Geräte noch nicht PC – anbot. So wurde zum Beispiel der Druck eines Haushaltsplans vor Ort auf einem Matrixdrucker bewältigt.
Im Dezember 1985 gründete der GStB und OSC für seine FIN-KOM-Anwender die gemeinsame Gesellschaft RKV Rechenzentrum für Kommunalverwaltungen mit Sitz in Herrstein. Die Produktionsstätte war aber in Saarbrücken. Zu diesem Zeitpunkt zählten bereits ca. 70 Verbandsgemeindeverwaltungen und Gemeindeverwaltungen zum Anwenderkreis.
Die Gründungsgesellschafter merkten jedoch bald, dass das Engagement als Rechenzentrum mit den damaligen technischen Möglichkeiten zu wirtschaftlich vertretbaren und bezahlbaren Bedingungen nicht von Dauer sein würde. Insoweit war es konsequent, dass in den Jahren 1986 und 1987 die Entwicklung der Produktpalette FINKOM – Werke und Verwaltung – für eine In-House-Lösung auf Mikrocomputern in Netzwerken betrieben und auch zum Einsatz gebracht wurde. In diesem Prozess wurden sämtliche Kunden vom Rechenzentrum auf eine „Vor-Ort-Lösung“ umgestellt. Als Abschluss dieses Umstellungsprozesses folgte im Jahre 1992 eine Verschmelzung der Aktivitäten von RKV und OSC unter der neuen Flagge OSK – OrgaSoft Kommunal. Der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz wurde zu diesem Zeitpunkt Gesellschafter der OrgaSoft Kommunal zu einem Anteil von 40%.
Mit dem Siegeszug von Windows waren jedoch die Tage der FIN-KOMVerfahren gezählt und es mussten Überlegungen angestellt werden, wie man dieser Anforderung im Markt begegnen kann. In diese Überlegungen hinein fiel die Übernahme aller Gesellschaftsanteile an der OSK durch den GStB; man schrieb das Jahr 1996. Spätestens dies war der Startpunkt eigener wirtschaftlicher Betätigung für den GStB.
Der Gesellschafter Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz blickt daher auf eine sehr erfreuliche Entwicklung zurück, die seit der Übernahme der Gesellschaftsanteile im Jahre 1996 kontinuierlich nach oben zeigt. Waren es in 1996 noch 48 Kommunalverwaltungen, so sind es heute über 90, mehr als die Hälfte der hauptamtlich geführten Verwaltungen; und gäbe es die Kommunal- und Verwaltungsreform nicht, dann wären es über 100 Verwaltungen.
Eine vergleichbare Erfolgsgeschichte schreibt die zusammen mit dem Schwesterverband Städtetag RLP im Jahre 2000 gegründete KommWis GmbH. Damals aus der Notwendigkeit gegründet, ein neues Einwohnerwesen als landeseinheitliches Verfahren in kommunaler Verantwortung Platz greifen zu lassen, hat sich auch mit dem Beitritt des Landkreistages im Jahre 2004 die KommWis zu einem von drei kommunalen Spitzenverbänden getragenen erfolgreichen Unternehmen mit einer durchschnittlichen Mitarbeiterzahl von 73 Mitarbeitern und einem nahezu alle zentralen Verfahrenselemente der IT berücksichtigenden Portfolio entwickelt. Neben dem Meldewesen und dem Kommunalnetz Rheinland-Pfalz (seit 2003), einem Dokumentenmanagementsystem (seit 2008) und der Wahlauswertungsverfahren (seit 2009) gilt es, auch das Personenstandswesen (seit 2012), das Kfz-Zulassungsverfahren (seit 2017) sowie die zentrale Verteilplattform Gewerbe und neuerdings seit dem Jahr 2021 auch die Aufgabenfestschreibung und Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZ) zu nennen.
Umfassende Beratung der Mitgliedschaft
Nahezu zeitgleich zur KommWis wurde im Jahre 2000 durch den GStB die Vorgängergesellschaft der heutigen Kommunalberatung Rheinland-Pfalz GmbH, die GeKom GmbH, gegründet, die heute als Beratungsagentur für Kommunen in Schleswig-Holstein arbeitet. In der Nachfolge der
GeKom GmbH und mit der Zielsetzung umfassender Beratung der Mitgliedschaft des GStB entstand die Kommunalberatung Rheinland-Pfalz GmbH im Jahr 2008. Die Kommunalberatung Rheinland-Pfalz sieht ihren Verantwortungsbereich in der Erstellung von Lösungen zu verwaltungsspezifischen und wirtschaftlichen Fragestellungen und unterstützt die Verwaltungen auf der Basis betriebswirtschaftlichen Managements, den unterschiedlichsten Prozessen der Verwaltungsmodernisierung sowie bei der Konzeptionierung neuer IT-Systemlandschaften. Heute besteht das gesamte Team der Kommunalberatung aus 15 festen Mitarbeitern und ca. 30 freien Mitarbeitern.
Eine mittelbare Beteiligung des GStB stellt die Securion Rheinland-Pfalz GmbH dar, die 2013 von der Kommunalberatung und der KommWis zur Aufgabenwahrnehmung der Informationssicherheit – ab 2018 dann auch zum erweiterten Datenschutz (EU-Datenschutzgrundverordnung DSGVO) – gegründet wurde. Heute ist die Securion als externer Datenschutzbeauftragter für über 200 Verbandsgemeinden, Gemeinden und Städte und deren Einrichtungen bestellt.
Beitrag aus der Jubiläumsausgabe der Gemeinde und Stadt 2022
JUDr. Stefan Meiborg,
Stellvertretender Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz