Reimer Steenbock erinnert sich: Kommunale Finanzen, Forstpolitik und neue Kommunikationswege
Kommunale Finanzen
Seit meinem Antritt beim GStB, damals noch Gemeindetag, am 1.1.1972, also vor 50 Jahren, waren die kommunalen Finanzen das allzeit dominierende Thema. Die Gemeindefinanzreform war gerade auf der Bundesebene beschlossen und die Folgen für den Finanzausgleich mussten geregelt werden. Auf Vorschlag des Gemeindetages entstand die Schlüsselzuweisung A – die finanzielle Überlebensgarantie ärmerer Ortsgemeinden.
Zu den Finanzen gehörten auch die übrigen Kommunalabgaben, nicht nur aber besonders auch für Abwasser. Der Bau von Abwasserkanälen sollte Mitte der siebziger Jahre nicht mehr durch Zuweisungen des Landes gefördert werden. Beitragsbelastungen explodierten, es kam zu „Kläranlagenbesetzungen” und Bürgerinitiativen. Der Weg der Bürgerinitiativen Abwasserbeiträge führte direkt in die Kommunalparlamente (freie Wähler) und irgendwann auch in den Landtag.
Das vertretbare Entgelt wurde erfunden – Förderung nach der zu erwartenden Entgeltsbelastung der Bürger und Einwohner. Das Land und die Kreise mussten endlich für die Entwässerung ihrer Straßen bezahlen. Der wiederkehrende Beitrag (für Niederschlagswasser) erblickte das Licht der Welt. Wasser und Abwasser wurden organisatorisch als Eigenbetriebe verselbständigt und die Privatisierung verhindert. Ein neues Kommunalabgabengesetz musste her, und noch ein wiederkehrender Beitrag entstand, der für Straßen. Fast zeitgleich mit dem Inkrafttreten des KAG 1988 wurde ich zum Geschäftsführer gewählt. Dann ging es auch um die Finanzen für Kindertagesstätten, die Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen und vieles andere mehr.
Forstpolitik
Rheinland-Pfalz war und ist das kommunalwaldreichste Bundesland. Auch mit norddeutscher Mentalität kam man nicht darum herum, Waldprobleme zu verstehen und Waldbesitzerinteressen zu vertreten. Da war es von Vorteil, dass ich schon von meinem Vorgänger Walter Bogner, für einen kommunalen Spitzenverband ungewöhnlich, einen Förster in der Geschäftsstelle „geerbt“ hatte. Public-public-partnership: Noch bis in die Neunzigerjahre hinein wurde die Ausleihe eines Försters besonderer Qualität mit der Landesforstverwaltung praktiziert. Die bis heute andauernde bundespolitische Vertretung des Kommunalwaldes und die Gründung einer europäischen Kommunalwaldvertretung (FECOF) waren die Folge. All das führte einerseits für mich zum Vizepräsidenten des Deutschen Forstwirtschaftsrates (DFWR), andererseits aber auch zum Ruf eines Enfant Terrible (FSC).
Forstpolitik und Forstwirtschaft schärften die Sinne für Umweltfragen. Der GStB hatte sehr früh Frauen und Männer in der Geschäftsstelle, die sich mit Pflanzen, Lärm, Hochwasser und vielem anderen mehr beschäftigten. Und wenn man für Städte und Gemeinden am Rhein arbeitet, erlebt man zwangsläufig Hochwasser und beschäftigt sich mit Hochwasserschutz. In der Hochwasser Notgemeinschaft Rhein, der ersten ihrer Art, war schnell zu merken, dass länderübergreifende Rückhaltesysteme immer höheren Deichen vorzuziehen sind, was sich aber nicht immer verwirklichen lässt. Am Schluss wurde auch das eine Zusammenarbeit über die Grenzen von Rheinland-Pfalz und Deutschland hinaus.
Unvergessen: Die Deutsche Einheit
Um das Jahr 2000 herum haben wir uns im Kreise der Geschäftsführer der kommunalen Spitzenverbände mehrfach über die Frage unterhalten, was das Größte, das am intensivsten Erlebte, das Erregendste, gewesen ist. Fast alle haben die Deutsche Einheit, die Wiedervereinigung, genannt. Unsere ersten Bemühungen im Bereich der Spitzenverbände waren, ehrlich zugegeben, handstreichartig. Aber vielleicht war das, wenn man heutige politische Entscheidungsprozesse vergleicht, das Ratsame? Es war jedenfalls verwunderlich, wie fast zwangsläufig noch nach Jahrzehnten DDR die Wiederherstellung alter Länder und kommunaler Strukturen vonstatten ging. Bei der Suche nach alten Strukturen half 1989 die (kaum erkennbare) Darstellung der Bezirksgrenzen aus dem Shell-Autoatlas! Nach dem Ende der DDR und des Kalten Krieges wurden partnerschaftliche Verbindungen auch zu Polen geknüpft.
Was war früher anders?
Zwei Aspekte dazu: Sowohl in der Kommunalpolitik als auch in der Kommunalverwaltung ist ein solides Grundwissen nichts falsches (oder eigentlich zwingend notwendig). Für die Kommunalpolitik boten das die Kommunalpolitischen Wochenkurse, jahrelang zunächst in Bad Münster am Stein-Ebernburg mit den legendären, selbstorganisierten Weinproben.
Für die Kommunalverwaltungen begannen Fortbildungsseminare Anfang der siebziger Jahre in vier Fachbereichen mit jeweils vier gleichen Regionalveranstaltungen pro Jahr. Der große Informationsbedarf wird daraus deutlich, dass nach meiner Erinnerung fast keine dieser Veranstaltungen wegen Teilnehmermangel abgesagt werden musste. Daraus entstand die Kommunal-Akademie, die dann gemeinsam mit Städtetag, Landkreistag und Arbeitgeberverband auf alle kommunalen Körperschaften ausgeweitet werden konnte und am Schluss – nach meiner Zeit – aus der Wandersituation in historischen Gemäuern zu einer festen Bleibe in Boppard kam. Der Kontakt zur Kommunalakademie in Niederösterreich war bei der Fortbildungsarbeit anregend.
Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts waren die unmittelbaren Folgen des Zweiten Weltkrieges beseitigt. Es begann nach der Aufbau- und Wiederherstellungsphase das Konzipieren und Planen bis zum Ende bzw. mit den Folgen. Gleichzeitig setzte das verstärkte Bemühen um Volksbeteiliung ein (Urwahl, Kumulieren, Panaschieren, Arbeitsgruppen, Bürgerbeteiligung, Bürgerentscheide usw.). Das wiederum verstärkte den Widerspruch, machte intensivere Vorbereitungen und damit Bürokratisierung notwendig. Und das führte zur Verlangsamung von Planen und Ausführen. Ein Weg zurück (Entbürokratisierung), wir sehen es heute, ist sehr schwierig.
IT und Kommunikation
Als ich zum Verband kam, war gerade eine Anschreibverpflichtung für die bei Telefongesprächen verbrauchten Einheiten eingeführt worden. Die Schnelligkeit dieses Informationssystems wurde durch die Fußwegstrecke bis zum zentralen Schreibdienst mit dem Zähler kompensiert.
Es war eine meiner ersten Aufgaben, zusammen mit Kollegen Organisationshilfen zu liefern. In Rheinland-Pfalz war unmittelbar vor 1972 die kommunale Verwaltungsreform beschlossen worden. Einheitliche Strukturen wurden geschaffen. Der Aufgabenübergang (Vermögensübergang bei Schulen!) von den Ortsgemeinden auf die Verbandsgemeinden war eine erste Stufe. Muster und Empfehlungen für Organisationsstrukturen und Aktenpläne, insbesondere aber Informationen für eine bürgerfreundliche und bürgernahe Verwaltung wurden gebraucht. Es entstanden als erste Grundpfeiler zentraler Informationsmedien die GStB-Nachrichten, damals noch auf Papier, und ein Angebot an Fortbildungsveranstaltungen.
In das Konglomerat von Kommunalen Gebietsrechenzentren und Datenverarbeitung durch private Firmen (auch solche des Gemeindetages – OSK) begab sich das Landesrechenzentrum mit einem landeseinheitlichen Meldewesen (EWOIS). Das funktionierte ganz gut durch ein einheitliches Telekommunikationsnetz. Zugleich startete der Versuch, die mittlere Datentechnik, von vielen Mitgliedern des Gemeinde- und Städtebundes angewandt, in die Wunderwaffe AS 400 von IBM einmünden zu lassen. Das Landesrechenzentrum, später DIZ, bemühte sich, damit einheitliche kommunale Datenverarbeitung anzubieten und zu organisieren. Das Vorhaben scheiterte. Der GStB mit seiner Datenverarbeitungsfirma OSK, inzwischen 100-prozentige Tochter, erbte diese Projekte. Nebeneffekt, nein eigentlich Haupteffekt des Erbes, war die Übergabe des EWOIS in kommunale Verantwortung. Noch wesentlicher war das Netz in kommunaler Verantwortung, natürlich koordiniert mit einem gesonderten Landesnetz.
Und damit war dann der Weg bereitet für elektronische Informationssysteme (Kosdirekt, OVG Datenbank), für optimale Verwaltungsprogramme mit landesweitem Anspruch (EWOIS, Kfz-Zulassung, KIS) und schließlich auch für digital erbrachte Leistungen für Bürger und Einwohner und damit eine echte digitalisierte Verwaltung. Der Weg war holperig und manchmal steinig. Es gab auch Irrwege und Sackgassen, aber am Ende entstand das System, für das Namen wie Komm-Wis, InnoWis und die Zusammenarbeit mit Chamaeleon stehen und dessen Aufbau immer noch nicht abgeschlossen ist.
Beitrag aus der Jubiläumsausgabe der Gemeinde und Stadt 2022
Reimer Steenbock,
ehemaliger Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz