Das Bündnis für gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Rheinland-Pfalz hat sich im Frühjahr 2021 gegründet. Bereits damals wies es in Richtung der regierungsbildenden Parteien in Rheinland-Pfalz einerseits auf die wichtigen und unverzichtbaren Aufgaben der Kommunen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und anderseits auf die Probleme bei der Finanzlage der Kommunen hin. Mittlerweile liegen auf Landesebene Gesetzesvorschläge zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs und zur kommunalen Teilentschuldung vor, die es nun zu bewerten gilt.
Folgende Erfolgsfaktoren müssen erfüllt sein, damit die Kommunen wieder finanziell handlungsfähig werden, der Zusammenhalt während und nach den Krisen gefestigt wird und damit Investitionen ermöglicht werden, die die Wirtschaft ankurbeln und Zukunftsthemen wie den Klimaschutz und die Digitalisierung fest im Fokus haben:
- Die Kommunen sind - ausgerichtet an ihrem Bedarf für Pflichtaufgaben und freiwillige Leistungen - auskömmlich ausgestattet.
Der Entwurf des neuen Finanzausgleichs sieht lediglich eine Mindestfinanzausstattung der Kommunen vor. Der vom Land im Gesetzentwurf garantierte Betrag liegt deutlich unter dem, der den Kommunen bisher garantiert war - und schon dieser wird vom Verfassungsgerichtshof als zu gering bemessen angesehen. Wie viel die Kommunen tatsächlich jährlich vom Land bekommen, wird in Zukunft sehr viel stärker von politischen Einflussgrößen und weniger von tatsächlichen Bedarfen bestimmt. Das ist weder im Sinne der Kommunen, noch kann es im Sinne des Verfassungsgerichtshofs sein. Der Mindestbedarf muss sich wesentlich stärker an den Realitäten in den Kommunen orientieren: eine stärkere Anrechnung von Investitionen, freiwilligen Leistungen und vor allem Ausgaben im Bereich der Jugend- und Sozialhilfe. Gerade die hohen und sich weiter dynamisch entwickelnden Kosten im Sozialbereich werden mit dem neuen System nur unzureichend abgebildet. Damit sind auch in Zukunft Schieflagen bei der kommunalen Finanzausstattung der Kommunen vorprogrammiert.
- Die Ermittlung des kommunalen Finanzbedarfs erfolgt auf transparenten Grundlagen und auch mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen.
Die Landesregierung hat sich bei der Errechnung des kommunalen Mindestbedarfs redlich um Transparenz bemüht. Die neue Berechnung ist komplex und musste in relativ kurzer Zeit durchgeführt werden. So bleiben viele Fragen offen. Einige davon werden sich erst klären lassen, wenn das neue System in Kraft getreten ist und seine Wirkung in der Fläche entfaltet. Den Kommunen bzw. kommunalen Spitzenverbänden muss es möglich sein, kurzfristig auf weiteren Anpassungsbedarf hinzuweisen. Und es muss ebenso kurzfristig möglich sein, dass Änderungswünsche Eingang in das neue System des kommunalen Finanzausgleichs finden. Dies gilt insbesondere angesichts der aktuellen Herausforderungen - z.B. beim ÖPNV und der Kita-Finanzierung. Das sind Themen, die in ihrer Kostendynamik vom neuen System nur teilweise abgebildet werden. Auch muss die Entwicklung der Inflation angemessen im Rahmen der Bedarfsbemessung berücksichtigt werden.
- Die bedarfsgerechten Zuweisungen des Landes geben den Kommunen genug Finanzkraft für gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Rheinland-Pfalz. Kommunale Steuern und Abgaben sowie weitere fachbezogene Zuweisungen und Förderprogramme des Landes bauen darauf auf und sind zusätzlich.
Viele Kommunen werden auch weiterhin keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können, bzw. können das mittelfristig nicht mehr. Dies betrifft insbesondere die Kommunen in strukturschwachen Regionen wie z. B. der Südwestpfalz, Kusel oder Kaiserslautern, aber auch in anderen Regionen des Landes. Um für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen, brauchen auch diese Kommunen eine finanzielle Perspektive, ohne die eigenen Bürger über Gebühr zu beanspruchen. Diesen Kommunen muss deshalb - wie vom Verfassungsgerichtshof und vom Landesrechnungshof empfohlen - zusätzlich zum vorliegenden kommunalen Finanzausgleich ein besonderer Härteausgleich gewährt werden.
- Der finanzielle Ausgleich erfolgt nicht nur zwischen den Kommunen, auch das Land kommt seiner politischen und formalen Verantwortung nach und beteiligt sich substanziell und angemessen daran.
Obwohl die Mindestfinanzausstattung künftig niedriger ausfällt, sollen die Kommunen im Jahr 2023 deutlich mehr Geld als bisher erhalten. Dies geschieht nicht mit Geldern des Landes, sondern über eine deutlich stärkere Umverteilung zwischen reicheren und ärmeren Kommunen. Um es deutlich auszudrücken: Extrem hohe Gewinne eines einzigen Unternehmens in Rheinland-Pfalz führen zu stark gestiegenen bzw. steigenden Gewerbesteuereinnahmen bei zwei Kommunen. Diese beiden Kommunen finanzieren mit einem Teil ihrer Mehreinnahmen fast den kompletten Aufwuchs des KFA im Jahr 2023 und absehbar auch der folgenden Jahre. Die kommunale Finanzausstattung der Kommunen in Rheinland-Pfalz darf nicht von der Umsatzentwicklung eines einzigen Unternehmens abhängen. Das Land muss seiner eigenen finanziellen Verantwortung nachkommen und einen nachhaltigen eigenen Beitrag erbringen. Seriöse und nachhaltige Finanzpolitik muss anders aussehen.
- Wettbewerbsfähigkeit der kommunalen Standorte nicht gefährden
Die Höhe von Gewerbe- und Grundsteuern sind wichtige Standortfaktoren im kommunalen Standortwettbewerb. Bisher waren die relativ moderaten Steuersätze für viele rheinland-pfälzische Kommunen ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil – in den ländlichen Räumen häufig der einzige. Dieser Vorteil darf nicht verspielt werden. Denn viele hochverschuldete Kommunen müssten ihre Gewerbe- und Grundsteuern nun – teilweise erheblich - erhöhen. Für Unternehmen, die mit Energiekrise, gestörten Lieferketten und Fachkräftemangel zu kämpfen haben, käme diese Erhöhung zur Unzeit. Zudem würden die Preise für Dienstleistungen und Produkte zusätzlich in die Höhe getrieben und dadurch die Inflation weiter angeheizt.
- Eine faire und nachhaltige Entschuldung wird ohne überhastete Tilgung des kommunalen Eigenanteils erreicht.
Die vorgeschlagene kommunale Teilentschuldung geht an vielen Stellen in die richtige Richtung. Die geplanten Eigenanteile der Kommunen dürfen aber nicht dazu führen, dass so von der Teilentschuldung ausgeschlossene Kommunen in Zukunft Spitzenreiter bei kommunalen Altschulden werden.
Die zeitlichen Vorgaben für die Tilgung der Restschuld von maximal 30 Jahren sind zu knapp bemessen. Dadurch entstehen neue Finanzzwänge in den Kommunen. Die Altschulden müssen durch die ergänzende Beteiligung des Bundes zusätzlich deutlich verringert werden. Die Tilgungsfrist sollte nicht auf Kommunen mit Altschulden übertragen werden, die nicht am geplanten Entschuldungsprogramm teilnehmen können.
- Die Kommunen sind wieder in der Lage, Zukunftsinvestitionen zu tätigen.
Unsere Erfahrungen und alle Analysen zeigen: Ohne ausreichende Finanzausstattung und ohne Lösung bei den Altschulden können die Kommunen keine Zukunftsinvestitionen tätigen, die dringend notwendig sind. Ohne diese Investitionen wird der Wandel jedoch nicht gelingen und der Zusammenhalt immer schwieriger.
Das Bündnis für gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Rheinland-Pfalz fordert die Landespolitik auf, die aktuellen Gesetzesvorschläge zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs und zur kommunalen Teilentschuldung nach diesen Erfolgsfaktoren auszurichten und anzupassen.
Forderungspapier des Bündnisses für gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Rheinland-Pfalz vom 23. November 2022