Auch wenn sich die Ermittlungen des Bundeskartellamtes formal gegen staatliche Forstverwaltungen richten, sind die vielen kommunalen und privaten Waldbesitzer, die heute staatliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die eigentlich Betroffenen.
Der Vorsitzende des Gemeinsamen Forstausschusses „Deutscher Kommunalwald“, Verbandsdirektor Winfried Manns (Mainz) und der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Gerd Landsberg (Berlin), erklären: „Wir müssen in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den staatlichen Verwaltungen neue Organisationsvarianten erarbeiten und diese zu gegebener Zeit mit dem Bundeskartellamt erörtern. An die Stelle einer verbindlichen landesweiten Forstorganisation werden vermehrt regional angepasste Lösungen treten. Besondere Bedeutung kommt dabei kommunalen Kooperationsmodellen zu.“
Kartellverfahren in Baden-Württemberg
Das Bundeskartellamt hat dem Land Baden-Württemberg im Juli 2015 die Holzvermarktung sowie verschiedene andere Dienstleistungen für kommunale und private Waldbesitzer untersagt, soweit deren Forstbetriebe über 100 Hektar Größe liegen. Seitens des Bundeskartellamtes wird eine klare strukturelle Trennung der Bewirtschaftung des Staatswaldes auf der einen Seite und der Bewirtschaftung des Körperschafts- und des Privatwaldes auf der anderen Seite verlangt. Staatlichen Förstern soll es nicht mehr erlaubt sein, die in ihren Revieren liegenden kommunalen und privaten Waldbesitzer fachlich umfassend zu betreuen.
Das Land Baden-Württemberg klagt gegen die Untersagungsverfügung vor dem OLG Düsseldorf, mit einem Urteil ist Anfang 2017 zu rechnen. Nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung wird das Gericht die Auffassung des Bundeskartellamtes in den zentralen Punkten bestätigen.
Auf der Bundesebene wird seit nunmehr zweieinhalb Jahren strittig über eine Änderung des Bundeswaldgesetzes diskutiert, die der Deutsche Kommunalwald unterstützt. Mit der Änderung soll gesetzlich klargestellt werden, dass sämtliche der Holzvermarktung im engeren Sinne vorgelagerten Tätigkeiten, insbesondere die waldbaulichen Betriebsarbeiten, nicht dem Wettbewerbsrecht unterfallen. Verlässlichkeit und Rechtssicherheit dieser Lösung werden allerdings vom Bundeskartellamt unter Hinweis auf vorrangiges europäisches Wettbewerbsrecht in Zweifel gezogen.
Zwischen Wettbewerb und Daseinsvorsorge
„Wir benötigen Strukturen, die den wettbewerbsrechtlichen Anforderungen genügen, aber gleichzeitig auch der Bedeutung des Waldes für die Eigentümer und für die Gesellschaft Rechnung tragen. Unsere qualitativ hochwertige Waldbewirtschaftung, das flächendeckende Dienstleistungsangebot und der Einsatz gut ausgebildeter Forstleute dürfen im Gefolge des Kartellverfahrens nicht unter die Räder geraten“, so Manns und Dr. Landsberg.
Die Städte und Gemeinden sind bereit, in der Zukunft deutlich mehr Verantwortung für die Waldbewirtschaftung zu übernehmen. Nach dem Grundsatz „Öffentliches Geld für öffentliche Güter“ müssen allerdings auch staatliche Unterstützungsmittel im Sinne eines Gemeinwohlausgleiches erhalten bleiben. Kostenfreie oder nicht kostendeckende staatliche Dienstleistungen, die das Bundeskartellamt heute angreift, wurden in der Vergangenheit stets mit den vielfältigen Belastungen der Waldbesitzer durch Gemeinwohlleistungen (z.B. freies Betretensrecht des Waldes, Schadstoffimmissionen/Waldschäden, Umweltauflagen) begründet.
Konsequenzen für Rheinland-Pfalz
Das Kartellverfahren berührt Rheinland-Pfalz in besonderer Weise. Die 44 staatlichen Gemeinschaftsforstämter bündeln hoheitliche, betriebliche und leistungsgewährende Aufgaben und erbringen diese für alle Waldeigentumsarten.
Die Waldeigentumsstrukturen in Rheinland-Pfalz sind geprägt vom Körperschaftswald (fast 50 % der Waldfläche; 2.000 Kommunen; Durchschnittsgröße 200 Hektar) sowie von Kleinparzellierung (Durchschnittsgröße von 0,6 Hektar im Privatwald; 335.000 Eigentümer) und einer intensiven Gemengelage. Das Gemeinschaftsforstamt stellt unter diesen Gegebenheiten das am besten geeignete Organisationsmodell dar.
Der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz sieht in seiner Funktion als kommunaler Waldbesitzerverband in einem reinen Markt- und Wettbewerbsmodell, das seitens des Bundeskartellamtes angestrebt wird, erhebliche Gefahren („Rosinenpicken“; „Wenige Gewinner, viele Verlierer“). Der Klein- und Kleinstprivatwald würde in jedem Fall auf der Strecke bleiben. Darüber hinaus drohen eine Atomisierung der Branche „Forstwirtschaft“ und damit ein schwindender Einfluss in politischen Entscheidungsprozessen sowie der Verlust von Innovationen. Der Cluster „Forst und Holz“, dem in Rheinland-Pfalz erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zukommt, würde Schaden nehmen.
Verbandsdirektor Winfried Manns erklärt: „Der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz setzt sich gemeinsam mit dem Land dafür ein, den gemeinschaftlichen Ansatz hinsichtlich der Waldeigentumsarten und hinsichtlich der Aufgaben (Hoheit, Betrieb, Dienstleistungen) in möglichst großem Umfang zu erhalten. Es wäre aber fahrlässig, nicht zeitgleich Plan B und Plan C zu entwickeln.“
Der Gemeinde- und Städtebund ist der Auffassung, dass die in Rheinland-Pfalz bereits bestehende gesetzliche Option der Bildung kommunaler Gemeinschaftsforstämter nunmehr genutzt werden sollte. Das kommunale Gemeinschaftsforstamt unterscheidet sich lediglich hinsichtlich der Trägerschaft vom heutigen staatlichen Gemeinschaftsforstamt. Grundvoraussetzung ist, dass seitens des Landes eine finanzielle Gleichgewichtigkeit zwischen staatlichen und kommunalen Gemeinschaftsforstämtern hergestellt wird. Auf örtlicher Ebene würde die Organisationsform des kommunalen Gemeinschaftsforstamtes ein Maximum an Stabilität gewährleisten („Wechsel des Türschilds“) und könnte ein Grundgerüst der zukünftigen Forststrukturen im Kommunalwald sein.
Im Übrigen sind kommunale Forststrukturen – trotz der Zufriedenheit mit den staatlichen Dienstleistungen und unabhängig vom Kartellverfahren – die Form der Kommunalwaldbewirtschaftung, die dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht in besonderer Weise entspricht.
Pressemitteilung Gemeinsamer Forstausschuss „Deutscher Kommunalwald“ vom 21. November 2016