Der Koalitionsvertrag aus kommunaler Sicht


Der zwischen SPD, FDP und Bündnis 90/ Die Grünen geschlossene Vertrag greift zahlreiche Themen auf, die die Gemeinden und Städte bewegen. Insbesondere der Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur sowie dem Breitbandausbau und der Förderung digitaler Anwendungen auch zur Stärkung des ländlichen Raums wird ein hoher Stellenwert eingeräumt. Auch die Bedeutung der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung und Pflegestrukturen werden erkannt. Richtig wird auch die Bedeutung der Entwicklung des Tourismus für unser Land herausgearbeitet.

Die Vorhaben müssen jetzt zügig angegangen werden, damit vor Ort Erfolge sichtbar und spürbar werden.

Ein Blick auf die Aussagen im Koalitionsvertrag zu den Kommunalfinanzen wirkt allerdings ernüchternd: Die vorgesehenen Maßnahmen weisen nicht ausreichend in die richtige Richtung. Das Vorhaben, den kommunalen Finanzausgleich fortzuentwickeln, ist ein wichtiger und richtiger Schritt. Ein „weiter so“ kann nicht mehr funktionieren. Alleine die im Koalitionsvertrag angesprochene Umschichtung von Mitteln von einer kommunalen Ebene zur anderen (zudem ohne das Erfordernis, konsolidierte Bilanz für alle kommunalen Gebietskörperschaften einzuführen) löst das Problem nicht, solange die Ausgaben schneller steigen als die Einnahmen. Nur mit einer substanziellen Anhebung der Mittel im Finanzausgleich kann das Land seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung nachkommen, den Kommunen diejenige Finanzausstattung zu sichern, die erforderlich ist, damit wir ein Mindestmaß auch an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben übernehmen können, ohne immer neue Schulden machen zu müssen.

Auch die Ansätze zur Unterstützung beim Abbau der kommunalen Schulden sind kaum ausreichend. Das mit dem Kommunalen Entschuldungsfonds (KEF-RP) verfolgte Ziel einer Nettotilgung der Kredite liegt noch in weiter Ferne. Mit einer bloßen Fortsetzung des Entschuldungsprogramms werden die Effektivitätsmängel dieses Konzeptes nicht behoben werden. Allein über Synergieeffekte, das Ausschöpfen bestehender Einsparpotentiale und die Verbesserung von Förderoptionen ist eine Lösung kaum möglich. Selbst wenn wir alle freiwilligen Leistungen komplett streichen würden, macht das nur einen geringen Prozentsatz der kommunalen Haushalte aus. Das Ziel solider Kommunalfinanzen werden wir letztlich nur mit grundlegenden Reformen unter Reduzierung der Ausgabenlast – insbesondere im Sozialbereich – erreichen.

Weiter auf der Agenda bleibt der Ausbau der Kindertagesbetreuung, der nunmehr auch verstärkt den qualitativen Ausbau in den Blick nimmt. Bei diesen grundsätzlich positiven Ansätzen muss aus Sicht der Gemeinden und Städte jedoch eine verbindliche Festlegung die Finanzierung sicherstellen. Das Land darf sich nicht auf die Aussage zurückziehen, dass es sich um eine gesamtstaatliche Aufgabe handelt, sondern muss sich mit einem deutlich höheren Anteil an originären Landesgeldern beteiligen. Flexiblere Öffnungszeiten (insbesondere in die Abend-/Nachstunden hinein) sind nicht zum Nulltarif zu haben. Ebenfalls stehen die Gemeinden und Städte vor der Herausforderung, wie dies personell sichergestellt werden soll. Für den weiteren bedarfsgerechten Ausbau sind aus unserer Sicht eine deutlich höhere, verlässliche Finanzierungsbeteiligung des Landes an den Baukosten und eine Herausnahme des Landesanteils an den Personalkosten aus dem Kommunalen Finanzausgleich notwendig.

Eine neue Marschroute zeichnet sich im Bereich der Umsetzung der Energiewende ab, die wir durchaus mit Sorge betrachten. Bezüglich der weiteren Entwicklung und Steuerung der Windenergie sollen neue, verbindliche Ziele der Landesplanung als Letztentscheidung der Landesregierung aufgestellt und die Ausschlusskriterien geändert werden. Die Steuerung von Windkraftanlagen ist allerdings keine Aufgabe, die der abschließenden staatlichen Planung des Landes unterliegt. Der Ausgleich teils in Konflikt zueinander stehender Nutzungen ist in erster Linie ein Auftrag der gemeindlichen Bauleitplanung. Die angekündigten raumordnungspolitischen Vorstellungen mittels zahlreicher Zielfestlegungen und entgegen dem Gebot der planerischen Zurückhaltung die kommunale Planungshoheit zurückzudrängen, sind abzulehnen. Bisherige Planungen der Kommunen dürfen nicht hinfällig werden!

Die Koalitionspartner sehen zu Recht die Notwendigkeit weiterer Anstrengungen im Bereich der Flüchtlingspolitik. Keine abschließenden Antworten gibt der Vertrag allerdings zur Frage, wie die kommunalen Integrationskosten finanziert werden sollen und wie Planungssicherheit – etwa über die Einführung einer zeitlich begrenzten Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge – für die Gemeinden und Städte gewährleistet werden kann.

Insgesamt ist ein großer Teil der genannten Aspekte im Vertrag, die die Kommunen betreffen, finanziell noch zu untersetzen. Bei zahlreichen Maßnahmen und Projekten wird zudem auf eine Finanzierung durch den Bund bzw. auf Fördermittel des Bundes sowie der EU gesetzt.

Ein Koalitionsvertrag ist kein Gesetzesentwurf. Als politische Absichtserklärung bliebt abzuwarten, wie in der konkreten Umsetzung die Interessen der Gemeinden und Städte gewahrt werden.

Das letzte Jahr hat unter dem Eindruck einer massiven und sprunghaften Zunahme an Schutz suchenden Asylbewerbern und Flüchtlingen sehr deutlich gemacht, dass sich binnen kürzester Zeit Schwerpunkte und Themen verändern können. Wir erwarten, dass die Koalition und die gewählten Mandatsträger gemeinsam mit den Kommunen zum Wohl unseres Landes entschieden die Herausforderungen angehen und hoffen auf eine faire, partnerschaftliche Zusammenarbeit.

Herzliche Grüße aus Mainz
Ihr
Aloysius Söhngen


GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 5/2016

Aloysius Söhngen
Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes