Nun könnten wir uns auf die Schulter klopfen und sagen „Da liegen wir ja noch richtig gut im Trend!“. Nur in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg und in Rheinland-Pfalz beteiligten sich mehr als 55% aller Wahlberechtigten noch an den Kommunal- oder lokalen Wahlen. In allen anderen Flächenstaaten lag die Wahlbeteiligung unter 55% - in 7 der 16 Bundesländer sogar unter 50%. Noch schlimmer sieht die Situation in den Großstädten in Deutschland aus. In einzelnen Städten geht die Zahl der Nichtwähler auf die 60%-Marke zu.
Und wenn man die Anteile der beiden großen Volksparteien CDU/CSU und SPD nimmt, dann muss man als gesicherte Erkenntnis konstatieren, dass bei allen Kommunalwahlen die Zahl der Nichtwähler höher war als die beiden Anteile der Volksparteien zusammen.
Um diesem Dilemma zu begegnen, werden in vielen Landtagen Änderungen des Wahlverfahrens vorgeschlagen. Das reicht von der Reduzierung des Wahlalters auf 16 Jahre bis hin zur Wählbarkeit ab 18 Jahren und bis hin zu einem angeblich wesentlich gerechteren, aber immer komplizierteren Auszählverfahren, das die oftmals allein ehrenamtlich fungierenden Wahlvorstände vor so erhebliche Probleme stellt, dass immer weniger Leute bereit sind, sich hierfür zur Verfügung zu stellen.
Auf der anderen Seite versucht man, durch die Teilhabe der Bürger an politischen Entscheidungen und Vereinfachung der Bürgerbeteiligung eine immer breitere Möglichkeit von Beteiligungsverfahren sicherzustellen. Die Urwahlen bis hin zum Ortsvorsteher einer kleinen Gemeinde tun ein Übriges. Da kommt es dann in einer Stadt wie Trier selbst in einer Wahlsituation, in der es um eine Art Richtungsstreit der zukünftigen politischen Situation geht, bei der Oberbürgermeisterwahl zu einer Wahlbeteiligung von unter 30%.
Dass wir in Rheinland-Pfalz noch mehr als 55% Wahlbeteiligung haben, lässt sich zumindest auf den ersten Blick auf den Trend zurückführen, je kleiner eine Gemeinde umso höher die Wahlbeteiligung.
Das alles ist nur eine reine Beschreibung des Wählerverhaltens in den letzten Jahren – ein empirisches Ergebnis, nicht aber eine Analyse, warum die Wähler sich so verhalten. Und genau die tut dringend not.
Wir brauchen keine weiteren Versuche, die Beteiligungen der Bürger noch mehr zu differenzieren, sondern eine ehrliche Analyse, was von den Änderungen der vergangenen Jahre denn überhaupt objektiv gesehen übrig bleiben kann, und welche Möglichkeiten der Vereinfachung des Wahlverfahrens wieder mehr Bürgerinnen und Bürger an die Wahlurne bringen kann.
Zeit hätten wir dafür, denn seit der letzten Wahl ist nicht einmal ein Jahr vergangen. Aber der Gesetzgeber muss auch bereit sein, für den einen oder anderen im Landtag Verantwortlichen unangenehme Erkenntnisse für die Zukunft zu berücksichtigen.
GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 06/2015
Winfried Manns
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes