Wir haben im Moment auf der Basis einer Zahl von 800.000 Flüchtlingen immer noch eine Situation, die bewältigbar erscheint – auch wenn es in den Kommunen erste Fälle von Belegungen von Sport- und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen gegeben hat.
Dass jetzt höchstwahrscheinlich weitere 700.000 Flüchtlinge alleine in diesem Jahr kommen werden, wird zum Kraftakt für alle von bisher nicht gekanntem Ausmaß. An ein paar Beispielen festgemacht bedeutet das, dass
- wir eine wesentlich größere Anzahl von Erstaufnahmeeinrichtungen in Rheinland-Pfalz benötigen
- in diesen Erstaufnahmeeinrichtungen zur Vermeidung von Konflikten in jedem Fall unterschieden werden muss zwischen den Flüchtlingen, die die Chance auf ein Bleiberecht haben, und denjenigen, denen Asyl nicht gewährt werden wird.
- Wir brauchen insbesondere für die letztere Gruppe ein wesentlich schnelleres Verfahren der Entscheidung über den Verbleib in Deutschland. In anderen Ländern hat sich die Justiz darauf eingestellt, diese Fälle in allerkürzester Zeit zu erledigen.
- Wir brauchen die Chance, noch mehr bezahlbaren Wohnraum für alle, die bei uns leben, zu generieren und durch Neubau, Sanierung und Unterhaltung in vorhandenen Gebäuden unsere Kapazitäten ganz wesentlich zu erhöhen. 500 Mio. weitere Mittel seitens des Bundes bzw. etwa 18 Mio Euro für Rheinland-Pfalz für den Sozialen Wohnungsbau reichen hier ganz eindeutig nicht aus. Auch werden wir künftig Programme brauchen die sich beim Sozialen Wohnungsbau nicht ausschließlich auf bezahlbaren Wohnraum in angespannten Wohnungsmärkten fokussieren.
- Wir brauchen Unterstützung in der jetzigen Situation bei den grundlegenden Integrationsbemühungen. Flüchtlingskinder in Kinderkrippen, Tagespflegeeinrichtungen, Kindergärten, Grundschulen und weiterführenden Schulen bedeuten einen erheblich höheren Aufwand an Betriebs- und Sachleistungen und an Personal. Alle diese Kosten einschließlich der damit verbundenen Spracherziehung, der notwendigen Dolmetschertätigkeit und der Rücksichtnahme auf die Familien einerseits und die Organisation der Freiwilligenhilfe andererseits erfordern einen wesentlich höheren Personal- und Finanzbedarf auf allen kommunalen Ebenen. Sowohl bei der Wohnsituation als auch bei der Kindertagesbetreuung müssen wir vermeiden, dass es zu einer Konkurrenzsituation zwischen Asylbewerbern und (einkommensschwachen) Familien kommt.
Anders als unsere Bundesfamilienministerin glaube ich nicht, dass auf einen anerkannten Asylbewerber nur drei Personen im Rahmen des Familienzuzugs kommen. - Ohne dass wir überhaupt die Integrationsleistungen bisher betrachtet haben, ist bei weiter ansteigenden Flüchtlingszahlen der Finanzbedarf bei den Kommunen für Personal-, Sach- und organisatorische Leistungen um ein Vielfaches gestiegen.
- Die Kosten für die Betreuung wachsen stetig an, weil eine größere Zahl von Flüchtlingen auch bedeutet, dass allein mit der Arbeit der Freiwilligen und der Organisation dieser freiwilligen Arbeit durch die Verbandsgemeinden keine ordnungsgemäße Betreuung in der Zukunft mehr gewährleistet ist. Deswegen fordern immer mehr Bürgerinnen und Bürger, dass der Anteil der Mitarbeiter aus den Verwaltungen in der Organisation der Betreuung der Flüchtlinge von Bediensteten aus den jeweiligen kommunalen Verwaltungen übernommen werden.
Diese Liste ließe sich noch beliebig erweitern. Fakt ist aber, dass diese wirklich nur grob skizzierte, immer weiter steigende soziale und organisatorische Arbeit mit den Flüchtlingen weder vom Bund noch vom Land aus unserer Sicht ausreichend honoriert wird.
Der Bund hat mit den Ländern zum Ausgleich jetzt einen Betrag von 670 Euro pro Monat pro Flüchtling vereinbart und beteiligt sich damit erstmals strukturell und dauerhaft an der Finanzierung. Das Land will diesen Betrag des Bundes unmittelbar an die Kommunen weitergeben, beharrt jedoch darauf, dass die Leistung ab dem 01.01.2016 für die Flüchtlinge nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz in Höhe von 513 Euro dafür entfällt. Dabei gilt, solange die Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen sind, steht der pro Flüchtling gewährte Betrag von 670 Euro alleine dem Land zu, erst bei Aufnahme in den Kommunen gehen diese 670 Euro an die kommunalen Beteiligten. Die tatsächlichen Kosten liegen jedoch sowohl in den Städten als auch im ländlichen Raum nach den Berechnungen des Rechnungshofes durchschnittlich wesentlich höher.
In anderen Bundesländern wie Bayern oder Mecklenburg-Vorpommern gibt es für die gesamten Leistungen der Kommunen eine Spitz-Abrechnung, oder aber, wie in Baden-Württemberg, eine Vereinbarung dahingehend, dass für einen Flüchtling für die nächsten 17 Monate 14.000 Euro gezahlt werden.
Unverständlich ist auch, dass die 18,7 Mio Euro für den Sozialen Wohnungsbau an angespannte Wohnverhältnisse gekoppelt werden sollen. In der Vereinbarung der Bundesregierung mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder steht davon ausdrücklich nichts. Wir im ländlichen Raum müssen die Chance haben, auf diese Mittel für unsere baulichen Maßnahmen im Rahmen der Sanierung, Umwidmung und des Neubaus zurückzugreifen.
Diese grobe Beschreibung der Maßnahmen und ihrer Bezahlung muss auch noch über den Haushalt 2016 im Land endgültig festgelegt werden. Wir sind jedenfalls der Auffassung, dass das Land über die 670 Euro pro Monat mehr Geld zur Entlastung der Kommunen zur Verfügung stellen muss. Dabei sind noch nicht die Mittel eingerechnet, die wir in den kommenden Jahren für die Integrationsarbeit auf der kommunalen Ebene benötigen.
Für eine Einigung wird weiterhin auch entscheidend sein, wie das Land die Bundesmilliarden für 2015 weitergibt und ob die geplante Unterstützung mit den Mitteln, die durch den Wegfall des Betreuungsgeldes zur Verfügung stehen, angemessen kommunal verwendet werden können.
GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 10/2015
Winfried Manns
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied desGemeinde- und Städtebundes