Zeitenwende im kommunalen Finanzausgleich notwendig – Gestaltung vor Ort ermöglichen!


Die Menschen identifizieren sich mit ihrer Verbandsgemeinde, aber vor allem auch mit ihrer Ortsgemeinde. Dort erlebt die Demokratie den Praxistest. Das setzt allerdings voraus, dass es auch entsprechende Spielräume gibt, um etwas zu gestalten. Wer nur den Mangel verwaltet, wird sich am Ende abwenden. Das gilt für die Kommunalvertreterinnen und -vertreter, aber auch für die Menschen, die die Lösung ihrer Probleme vor Ort erwarten. Dem muss der zukünftige kommunale Finanzausgleich deutlich Rechnung tragen und deswegen sind hier dringend Nachbesserungen am Gesetzesentwurf erforderlich. 

Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass sich zur Kommunalwahl 2024 in vielen Gemeinden unter den jetzigen Rahmenbedingungen keine Ortsbürgermeisterkandidatinnen und -kandidaten mehr finden lassen. In den vergangenen Jahren hat die immer gut gemeinte, aber häufig schlecht formulierte Bürokratie die Arbeitsbelastung und Anforderungen stetig anwachsen lassen. Aufgaben, wie der Ausbau der Kindertagesbetreuung, sind nicht ausreichend finanziert und nehmen die Luft zum Atmen für andere Projekte. Hinzu kommt, dass Hass und Hetze gegen die Kommunalpolitik stetig zunehmen. Wenn es darauf ankommt, zum Beispiel unpopuläre Maßnahmen vor Ort umzusetzen und zu vertreten, ist man von einer sachlichen Auseinandersetzung mit Argumenten und Gegenargumenten immer häufiger meilenweit entfernt. 

Nur mit starken Kommunen werden wir eine gute Zukunft entwickeln können. Wer den Kommunen und insbesondere den Ortsgemeinden die finanziellen Spielräume immer weiter beschneidet, wird am Ende verlieren. Die kommunale Selbstverwaltung ist der Ernstfall der Demokratie. Dort erleben die Menschen den Staat und entwickeln ihre Einstellung zur Gemeinschaft. Das funktioniert ganz sicher nicht, wenn die Ortsgemeinden Zuweisungen verlieren und andererseits gezwungen werden, Abgaben und Steuern massiv zu erhöhen

Die im Gesetzesentwurf zum neuen kommunalen Finanzausgleich angedachte Anhebung der Nivellierungssätze führt in einigen Orten zur Anhebung der Grundsteuerhebesätze um nahezu 100 %-Punkte oder mehr. Eine immense Erhöhung, die das Wohnen verteuert. Und dies in einer Zeit, in der die Menschen durch Inflation und explodierende Energiepreise bereits erheblich belastet sind. Hinzu kommt die Umsetzung der Grundsteuerreform, mit welcher zahlreiche Grundstücke nach Jahrzehnten erstmals neu bewertet werden und insoweit auch mit erhöhten Steuerlasten zu rechnen ist. Die im Finanzausgleich vorgesehene Anhebung der Nivellierungssätze bei gleichzeitiger Kürzung der Mittelzuweisungen an die Ortsgemeinden sind eine Zumutung für das kommunale Ehrenamt, die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft. Sie bergen die große Gefahr, dass sich die Menschen genervt abwenden, die Radikalisierung und der Hass zunehmen und am Ende die Demokratie leidet.


GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 6/2022

Dr. Karl-Heinz Frieden
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes