Ein großes Problem ist allerdings der Aus- und Fortbildungsstau an der Feuerwehr- und Katastrophenschutzakademie, der sich durch die Pandemie nun nochmals verschärft hat. Seit Jahren wird es in zahlreichen Freiwilligen Feuerwehren immer schwieriger, geeigneten Nachwuchs für Führungsfunktionen in den Wehren zu gewinnen. Gleichzeitig können diese an der Akademie nicht zeitnah ausgebildet werden. Für die Ausbildung benötigen wir eine pragmatische und schnelle Lösung. Ansonsten droht einigen Wehren bald die Handlungsunfähigkeit.
Nach den schlimmen Erfahrungen aus der Flutkatastrophe besteht unstreitig Handlungsbedarf, unsere Warn- und Alarmierungssysteme zu erneuern und zu optimieren. Viele Sirenen wurden nach Ende des Kalten Krieges abgebaut, weil man die Notwendigkeit nicht sah und auf andere Warnsysteme wie Warn-Apps vertraut hat. Jetzt müssen nicht nur ein flächendeckendes Alarmierungssystem aufgebaut, sondern auch die Menschen mit den erforderlichen Verhaltensinformationen versorgt und bestehende Anlagen überprüft und hinterfragt werden (besserer Schallschutz, größere Gemeindegebiete, moderne Sirenen mit zusätzlichen Sprachtexten).
Die vom Bund bereitgestellten 8 Mio. Euro zuzüglich der vom Land in Aussicht gestellten Aufstockung um 4 Mio. Euro zur Errichtung neuer Sirenen und zur Nachrüstung von elektronischen Bestandssirenen sind ein richtiger Ansatz, können aber nur der Anfang sein. Der Bevölkerungsschutz darf weder an den Kosten, noch an einem Zuständigkeits-Hickhack scheitern. Umso unverständlicher ist, dass das Land 2018 aus Kostengründen gegenüber den Kommunen nur Empfehlungen für mögliche Systeme ausgesprochen hat, anstatt gemeinsam Entscheidungen zu treffen und Finanzierungsverantwortung zu übernehmen.
Wenn es um die Frage des Aufbaus eines – durch das Land ausdrücklich gewünschten – landeseinheitlichen digitalen Alarmierungsnetzes geht, scheint man sich zu fragen, ob das Land den Bevölkerungsschutz tatsächlich ernst nimmt. Aufgrund zäher Vertragsverhandlungen soll das Netz nicht wie geplant bis 2020, sondern nun bis 2024 aufgebaut werden. Die Kosten sind mittlerweile explodiert. In Folge der allgemeinen Preissteigerung der Materialkosten, gestiegener Energiepreise, Logistikkosten etc. sollen die Errichtungskosten nunmehr 38,8 Mio. Euro betragen. Mehrkosten in Höhe von insgesamt 17,5 Mio. Euro und damit fast eine Verdopplung, die nach Ansicht des Landes von den Kommunen allein zu stemmen sind. Dafür soll der Ausgleichsstock herhalten. Das würde aber faktisch bedeuten, dass die Finanzierung allein über die finanzbedürftigen Kommunen erfolgt. Die Lage ist verfahren. Das Land stellt in Aussicht, alternativ den Vertrag zu kündigen mit der Folge, dass die kommunalen Aufgabenträger einzeln ihre Kosten übernehmen müssten und der Netzausbau noch weiter ins Stocken gerät.
Die Reaktion des Landes macht deutlich, dass der Brand- und Katastrophenschutz dringend neu aufgestellt werden muss!
GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 7/2022
Dr. Karl-Heinz Frieden
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes