Entscheidend ist aber nicht die Koalition, sondern ob und wie wir eine gute Zukunft für die Menschen und unser Land gestalten. Hier haben die Gemeinden und Städte eine Schlüsselrolle. Wir haben in der Krise gezeigt, vor Ort funktioniert das System im Sinne der Bürgerinnen und Bürger. Dementsprechend ist das Vertrauen der Menschen in die Kommunen und die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gestiegen. Dieser Vertrauensvorschuss ist gut. Er steigert aber auch die Erwartung der Menschen, dass ihre Interessen nicht nur vor Ort, sondern in der Landespolitik größeres Gewicht erhalten. Deswegen erwarten wir eine klare Positionierung in der neuen Koalitionsvereinbarung, dass die Entwicklung der Kommunen finanziell und inhaltlich eine zentrale Rolle spielt.
Die Herausforderungen sind immens. Finanzkraft, Klimaschutz und Klimaanpassung, gleichwertige Lebensverhältnisse, Verkehrswende, ziviler Bevölkerungsschutz, Weiterentwicklung des Tourismusstandorts Rheinland-Pfalz, bessere Erschließung der ländlichen Räume usw. müssen stärker in den Fokus gerückt werden. Auch die anhaltenden Folgen der Corona-Krise werden Land und Bevölkerung massiv fordern. Wir müssen leider damit rechnen, dass die Arbeitslosigkeit steigt, die Ortskerne und Innenstädte veröden, die Verteilungsspielräume langfristig kleiner werden. Das wird viele Enttäuschungen produzieren, weil die wahren Folgen der Corona-Krise bislang kaum inhaltlich, finanziell und perspektivisch diskutiert wurden.
In der Bevölkerung ist der Eindruck vermittelt worden, ein vermeintlich unbegrenzt leistungsfähiger Staat könne alles regeln, alles sozial gerecht, klimaangepasst, gendergerecht verteilen und wenn es sein muss auch sanktionieren. Da brauchen wir eine Umkehr. Wir brauchen mehr Freiheit vor Ort, mehr Innovation, mehr Investitionen in die Infrastruktur und auch vielleicht mehr Ehrlichkeit. Politik sollte den Menschen viel deutlicher sagen, dass nicht alles, was wünschenswert ist, auch kurzfristig oder sogar auch nur mittelfristig umgesetzt werden kann.
Gerade bei der erforderlichen Reform des Kommunalen Finanzausgleichs ist der Handlungsdruck groß. 14 Jahre rechtswidriger Zustand müssen behoben und allerspätestens bis Januar 2023 eine Neuregelung geschaffen werden. Derzeit wird den Kommunen allerdings lediglich eine assoziierte Mitgliedschaft in der Arbeitsgruppe angeboten. Wir warnen davor, hier nur eine Feigenblattbeteiligung vorzunehmen. Ob Flüchtlingskrise oder Corona-Pandemie: Die letzte Wahlperiode hat überdeutlich gezeigt, dass ohne die Kommunen nichts geht!
Der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz ist bereit, diesen – sicher nicht einfachen Weg – gemeinsam mit der neuen Landesregierung zu gehen. Wir erwarten allerdings auch im Interesse unserer Kommunen und der Menschen, dass dies auf Augenhöhe und nachhaltig geschieht.
GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 03/2021
Dr. Karl-Heinz Frieden
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes