Kommunale Entwicklungszusammenarbeit – Perspektivwechsel mit Aha-Effekt


Es ist eine wesentliche Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit, Fluchtursachen zu bekämpfen und Flüchtlingen, die in ihre Herkunftsländer zurückkehren, eine Perspektive zu bieten. Gerade die zunehmenden Flüchtlingsströme machen zudem deutlich, wie sehr sich die Situation der Menschen aus vermeintlich fernen Ländern auch auf die kommunale Politik vor Ort auswirkt. Umgekehrt beeinflusst aber auch unsere Lebensweise hier vor Ort die Situation der Menschen in den Entwicklungsländern, wie die Folgen des Klimawandels verdeutlichen.

Kommunale Entwicklungspolitik ist keine Einbahnstraße. Der Blick durch die andere Brille kann oftmals sehr hilfreich sein. Der GStB beteiligt sich seit diesem Jahr mit seinem Partner, dem ruandischen Verband RALGA, am Pilotvorhaben „Kommunaler Verwaltungsaustausch Rheinland-Pfalz – Ruanda“. Neben dem GStB nehmen die Städte Mayen, Bad Kreuznach und Landau sowie die Verbandsgemeinden Birkenfeld und Hachenburg, der Landkreis Germersheim, die Hochschule für öffentliche Verwaltung und die Kommunal-Akademie mit ruandischen Partnern teil. Als Pilotvorhaben im Rahmen des „Marshallplans mit Afrika – Neue Partnerschaften für Entwicklung, Frieden und Zukunft“  zwischen der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) von Engagement Global und dem Ministerium des Innern und für Sport in Mainz werden im Rahmen der langjährigen Länderpartnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda ein fachlicher Austausch zwischen Kommunen und Institutionen initiiert sowie wirkungsorientierte gemeinsame Projektideen im Rahmen der Agenda 2030 entwickelt. Sind die Kolleginnen und Kollegen in Ruanda insbesondere an der Einführung von Kommunikationswegen und Maßnahmen von nachhaltigem Aktenmanagement interessiert, war es für die kommunale rheinland-pfälzische Delegation sehr spannend, die gelebte Digitalisierung in Ruanda erleben zu dürfen. Die Bezahlung von Verwaltungsleistungen via Mobiltelefon ist so selbstverständlich wie auch eine ausreichende Internetverbindung. Der Verwaltungsaustausch wird hier interessante Impulse für die Digitalisierung hierzulande setzen.

Mittlerweile unterstützt der GStB die RALGA beim Aufbau eines digitalen Informationsportals am Beispiel der Website und dem kosdirekt-System des GStB, einschließlich Informations- und Datensicherheit sowie elektronischer Archivierung. Ruanda verfügt über eine gute Breitbandinfrastruktur, sodass wichtige Informationen für die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister über diese Plattform zeitnah zur Verfügung gestellt werden können. Bisher besteht hier ein aktuelles Informationsdefizit bei den ruandischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern.

Die Kommunal-Akademie und die HöV entwickeln mit ihrem ruandischen Pendant eine Schulungsreihe am Beispiel der in Rheinland-Pfalz durchgeführten Seminare „Neu in der öffentlichen Verwaltung“ oder „Verwaltung für Seiteneinsteiger“. In Ruanda besteht ein hoher Bedarf an qualifiziertem Verwaltungspersonal, der momentan allerdings nicht befriedigt werden kann. Hintergrund ist, dass Bewerberinnen und Bewerber vielfach ein Studium absolviert haben – z. B. als Architekt, Ingenieur oder im Bereich Gesundheit –,  allerdings fehlt eine Verbindung zur „Allgemeinen Inneren Verwaltung“, so wie wir sie in Deutschland kennen. Diese Lücke soll mit einem – an den örtlichen Bedürfnissen orientierten – Schulungsprogramm geschlossen werden.

Letztlich sind – in unterschiedlicher Gewichtung und Ausmaß – kommunale Aufgaben und Herausforderungen in der ganzen Welt fast überall identisch: Als bürgernächste staatliche Ebene erbringen Kommunen neben klassischen Verwaltungsleistungen wie dem Passwesen vielfältige öffentliche Dienstleistungsaufgaben wie z. B. in den Bereichen Energie, Abwasser/Wasser, Bauwesen, Abfall und Verkehr. Neben der Bereitstellung von Infrastruktur müssen sie sich für die mit dem Klimawandel einhergehenden Herausforderungen wappnen, kümmern sich um Bildungseinrichtungen und müssen sich auf Veränderungen in ihrer Bevölkerungsstruktur einstellen.

Die Welt wird durch die fortschreitende Globalisierung und die Digitalisierung immer mehr zum Dorf. Deshalb ist der Grundsatz „Global denken, lokal handeln“ wichtiger denn je.


GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 11/2018

Dr. Karl-Heinz Frieden
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes