Der Schuldenberg wird zur großen Gefahr für die Zukunft der Kommunen, da er nicht nur vielen kreisfreien Städten, sondern auch vielen kreisangehörigen Gemeinden den unverzichtbaren Gestaltungsspielraum nimmt. Die desolate Finanz- und Verschuldenssituation ist nicht von den Kommunen selbst verursacht, sondern liegt in der jahrzehntelangen Unterfinanzierung insbesondere der kommunalen Sozialleistungen durch Bund und Land. Seit Jahren verspricht die Politik immer neue und bessere Leistungen und Rechtsansprüche, ohne die ausreichende Finanzierung auf der kommunalen Ebene sicherzustellen.
Professor Junkernheinrich hat in seinem Gutachten1 festgestellt: „In der Vergangenheit waren die Haushalte der rheinland-pfälzischen Kommunen von zum Teil hohen Defiziten gekennzeichnet. Zwischen 1990 und 2016 betrugen die Finanzierungssalden laut Rechnungshof Rheinland-Pfalz2 im Durchschnitt -319 Millionen Euro. Das sind kumuliert 7,66 Milliarden Euro! Bis 2014 schlossen alle 24 Jahre mit einem mehr oder weniger hohen negativen Finanzierungssaldo ab.“
Deshalb brauchen wir jetzt ein konsequentes Entschuldungsprogramm und einen Maßnahmenkatalog, damit die Kommunen generell ihre Ausgaben mit den Einnahmen und Zuweisungen decken können.
Das Zinsniveau befindet sich auf einem historischen Tiefstand. Eine langfristige Kreditaufnahme von Bund und Ländern für einen Altschuldenfonds würde sich weitgehend selbst finanzieren: Die geringen Zinsen liegen nach wie vor deutlich unter der Inflationsrate. Dieser Zustand wird nicht anhalten, deswegen müssen die Chancen jetzt genutzt werden.
In der Finanzkrise hat man zurecht mit Milliarden das System stabilisiert, um einen Zusammenbruch zu verhindern. Auch die kommunale Selbstverwaltung in den Städten und Gemeinden ist für die Demokratie, für die Wirtschaft, aber auch für die Bürgerinnen und Bürger systemrelevant!
Der Blick über die Landesgrenzen zeigt, dass andere Länder wie Hessen, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalten und Saarland die Zeichen bereits erkannt haben und Entschuldungsprogramme erarbeiten. Rheinland-Pfalz darf diese Chance nicht verschlafen, denn sonst laufen wir in Gefahr, im föderalen Wettbewerb mit den Kommunen in den anderen Bundesländern abgehängt zu werden.
Die Landesregierung indes scheint weder die Chance, noch den Handlungsbedarf zu sehen. Der 2010 eingerichtete kommunale Entschuldungsfonds (KEF-RP) soll insoweit ausreichend sein. Tatsächlich wurde jedoch das nach dem KEF-RP für Ende 2016 unterstellte Konsolidierungsziel um rd. 3,4 Mrd. Euro verfehlt. Es ist fraglich, ob der KEF vor diesem Hintergrund als wirksam bezeichnet werden kann. Der aktuelle Schuldenstand der Städte, Gemeinden und Kreise im Land spricht eine andere Sprache.
Angekündigt ist nunmehr ein „Aktionsprogramm Kommunale Liquiditätskredite“, welches aus dem Zinssicherungsschirm und Stabilisierungs- und Abbau-Bonus besteht. Was zunächst gut klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung allerdings als Enttäuschung. Der Zinssicherungsschirm steht nach Angaben der Landesregierung nur 94 und der Stabilisierungs- und Abbau-Bonus nur 44 Kreisen, kreisfreien Städten sowie Verbandsgemeinden und verbandsfreien Gemeinden offen. Ortsgemeinden, die ebenfalls zum Teil sehr hohe Liquiditätskredite haben, sind von vornherein ausgeschlossen.
Auch erhalten die berechtigten Kommunen, gemessen an den Schulden, nur geringe Zuweisungen, da das Programm mit seinen beiden Bestandteilen insoweit nicht mit ausreichenden Finanzmitteln hinterlegt ist. Mit lediglich 29,8 Mio. Euro (17,6 Mio. Euro für den Zinssicherungsschirm und 12,2 Mio. Euro für den Stabilisierungs- und Abbau-Bonus) sind die Weichen also von vornherein so gestellt, dass keine größeren Entschuldungserfolge erzielt werden können.
Das „Aktionsprogramm Kommunale Liquiditätskredite“ mit seinen Bestandteilen Stabilisierungs- und Abbaubonus sowie Zinssicherungsschirm sind somit leider nur irreführende Placebos. Der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz hat bereits einen Vorschlag zum kommunalen Schuldenabbau über eine Ablösung der Liquiditätskredite durch die Struktur- und Investitionsbank (ISB) bei einer Tilgung zu 1/3 vom Land aus dem originären Landeshaushalt, zu 1/3 aus dem kommunalen Finanzausgleich und zu 1/3 von der teilnehmenden Kommune auf den Tisch gelegt.
Im Hinblick auf die Größe der Summe der Liquiditätsschulden (6,7 Milliarden Euro) kann aber auch erwartet werden, dass der Bund gemeinsam mit dem Land dieses Problem löst und einen Befreiungsschlag auch für die vergleichbaren Situationen – insbesondere in Nordrhein-Westfalen und dem Saarland – einleitet. Insgesamt belaufen sich die Liquiditätskredite bundesweit auf 43,7 Milliarden Euro. Eine diesbezügliche Initiative der Landesregierung ist bisher nicht bekannt geworden.
Niemandem ist geholfen, wenn Bund und Länder sich über die schwarze Null und ausgeglichene Haushalte freuen, aber vor Ort die Lichter ausgehen. Der Altschuldenabbau ist ein dringend erforderlicher Schritt. Finanzielle Handlungsfähigkeit erlangen die Kommunen jedoch erst, wenn die Landesregierung die den Kommunen aus dem Kommunalen Finanzausgleich zustehenden Mittel konsequent dorthin weiterleitet und die Einnahmen regelmäßig die Ausgaben übersteigen. Das Ziel ist doppischer Haushaltsausgleich und nicht ausgeglichener Finanzierungssaldo! Dazu gehört auch, dass die Konnexitätsgrundsätze in Rheinland-Pfalz konsequent angewendet und nicht wie in der derzeitigen Diskussion bei allen Gelegenheiten – wie zuletzt beim Bundesteilhabegesetz und der Kita-Novelle – seitens des Landes grundsätzlich verneint werden.
1) Siehe hierzu: Junkernheinrich / Frankenberg / Micosatt, Kommunalfinanzen in Rheinland-Pfalz – Zusammenfassung zentraler Ergebnisse, in: Forum Öffentliche Finanzen, Bd. 15, 1. Auflage 2018, S. 11.
2) Siehe hierzu: Rechnungshof Rheinland-Pfalz, Kommunalbericht 2017, Speyer, S. 12 (auch LT-Drs. 17/3900).
GStB-Kommentar aus Gemeinde und Stadt 7/2018
Dr. Karl-Heinz Frieden
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes