Bericht des Vorsitzenden April 2025

Kommunale Investitionsoffensive jetzt: Die Chance zur Zeitenwende nutzen

Mit der Grundgesetzänderung und dem Beschluss eines Sondervermögens in Höhe von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur ist ein starkes politisches Signal gesetzt worden. 100 Milliarden stehen für Länder und Kommunen zur Verfügung, 400 Milliarden entfallen auf den Bund. Auch von letzteren wird ein Großteil in den Gemeinden und Städten investiert werden Zusätzlich wurde der Verschuldensrahmen der Länder auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erweitert – ein Schritt mit enormem Potenzial. Jetzt gilt es, daraus eine konkrete kommunale Investitionsoffensive zu machen. Die Zeit zu handeln ist jetzt.

Unsere Städte, Gemeinden und Landkreise stehen vielerorts vor massiven Herausforderungen. Schulen, Kitas, Sportstätten, Feuerwehrhäuser, Straßen, Wege, Verwaltungsgebäude – vieles ist in sanierungsbedürftigem Zustand. Der Investitionsstau allein auf kommunaler Ebene beläuft sich mittlerweile auf fast 190.000.000.000 € (einmal will ich die Summe ausschreiben, um die gewaltige Dimension zu verdeutlichen). Das belastet nicht nur die Wirtschaft, sondern auch das Vertrauen der Menschen in den Staat. Wer tagtäglich erlebt, dass Infrastruktur zerfällt, verliert den Glauben an die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand. Ein Teil der Politikverdrossenheit hat hier seinen Ursprung.

Die beschlossenen Mittel müssen jetzt zügig, gezielt, dauerhaft, verlässlich und sichtbar eingesetzt werden. Sie stärken die Daseinsvorsorge und geben der Wirtschaft einen dringend benötigten Impuls. Doch Geld allein reicht nicht. Die zentrale Frage lautet: Können die Kommunen unter den bestehenden bürokratischen Bedingungen überhaupt schnell investieren? Das gelingt nur mit (dem mal wieder angesprochenen und jetzt hoffentlich wirklich umgesetzten) konsequentem Bürokratieabbau und weitgehender Digitalisierung.

Wir brauchen eine grundlegende Entschlackung der Planungs- und Genehmigungsprozesse. Heute dauern viele Verfahren Jahre – diese Zeit haben wir nicht. Digitale, transparente und einheitliche Prozesse müssen zum Standard werden – sowohl bei Bauvorhaben als auch in der Alltagsverwaltung.

Die Lockerung der Schuldenbremse verschafft den Ländern zusätzlichen Spielraum. Dieser muss in einen spürbaren Aufwuchs des kommunalen Finanzausgleichs münden. Nur so können Kommunen dauerhaft handlungsfähig bleiben. Auch die chronische Unterfinanzierung bei den Sozialausgaben muss adressiert werden. Gewaltig steigende Sozialausgaben, Personalkosten und ständig neu zugewiesene Aufgaben ohne hinreichende Gegenfinanzierung lassen das Finanzierungsdefizit der Kommunen in Rheinland-Pfalz auf 610 Mio. € steigen, bundesweit gar auf 25. Mrd. € - auf Dauer ist das nicht tragbar.

Mehr Tempo bei der Digitalisierung

Zur Realität gehört auch, dass der Fachkräftemangel längst die Kommunen erreicht hat. Immer mehr Bürokratie und weniger Personal dürfen nicht dazu führen, dass die Funktionsfähigkeit der Verwaltungen immer mehr in Frage steht. Verwaltungsdigitalisierung ist längst kein „nice to have“ mehr, sondern essentiell für einen handlungsfähigen Staat. Viele Verwaltungsakte sind stark formalisiert – etwa Kfz-Zulassungen, Personalausweise, Parkausweise oder Sondernutzungsgenehmigungen. Diese Prozesse könnten zentralisiert und digital abgewickelt werden. Ein Beispiel: Warum wird die Kfz-Zulassung nicht bundesweit beim Kraftfahrt-Bundesamt organisiert und digitalisiert? Das würde Kommunen entlasten und den Bürgern Zeit sparen.

Auch beim Thema Digitalisierung müssen wir endlich den „Einer-für-alle“-Ansatz (EfA-Prinzip) leben. Es ist ineffizient, wenn jede Kommune eigene Lösungen entwickelt. Einheitliche Anwendungen sparen Kosten, reduzieren Reibungsverluste und erfüllen die Erwartungen der Menschen an eine moderne Verwaltung. Heute bestellt – morgen genehmigt: So muss der Anspruch auch im öffentlichen Dienst lauten. Nicht die Menschen, sondern die Daten sollen laufen. Datenschutz darf kein generelles Digitalisierungshemmnis sein – rechtliche Anpassungen sind notwendig, wo sie gebraucht werden.

Die Zeiten sind ernst

Deswegen müssen wir auch im Katastrophenschutz besser werden. Die Folgen der Klimakrise und die sicherheitspolitische Lage führen uns drastisch vor Augen, wie verletzlich unsere Gesellschaft ist. Die Flutkatastrophe im Ahrtal war ein Weckruf. Doch viele der notwendigen Konsequenzen wurden bisher nur schleppend umgesetzt. Ein zukunftsfester Bevölkerungsschutz braucht verlässliche Strukturen und eine moderne Ausstattung auf allen Ebenen – unter Einbeziehung aller staatlichen, zivilgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Akteure.

Auch die anstehende Krankenhausreform muss hier mitgedacht werden. In bestimmten Fällen sollten stillgelegte Krankenhäuser als Notfallkliniken reaktivierbar bleiben, um in Krisenlagen handlungsfähig zu sein.

Nicht zuletzt: Das Ehrenamt bleibt das Rückgrat unseres Bevölkerungsschutzes. Feuerwehr, THW, Rotes Kreuz und viele andere Hilfsorganisationen leben vom Engagement der Menschen. Diese Strukturen verdienen mehr Wertschätzung, bessere Rahmenbedingungen und gezielte Nachwuchsförderung.

Die Chance liegt jetzt auf dem Tisch. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, sie entschlossen zu nutzen – für starke Kommunen, ein leistungsfähiges Land und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in einen handlungsfähigen Staat. 

In diesem Sinne. Bleiben Sie gesund.

Herzliche Grüße

Ihr Ralph Spiegler

Ralph Spiegler

Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz

Beitrag aus Gemeinde und Stadt 04/2025