GStB-Bericht
Bericht des Vorsitzenden Oktober 2024
Angesichts der Weltlage mit den zwei großen Kriegen in der Ukraine und Nahost, Flüchtlingsströmen, realen Unwettern, Sturmfluten, überstandener Pandemie, Klimawandel, sterbenden Wäldern usw., über die wir täglich, nein sekündlich in Echtzeit das Neueste erfahren, ist die große Verunsicherung, ja auch Zukunftsangst kein Wunder. Es scheint alles so kompliziert und bedrohlich zu sein. Wir fühlen uns „ausgeliefert“ und wenden uns ab!?
Die Flucht in das Private, in die wohlige Nische, ist eine Konsequenz dieser Situation. Die andere ist der Zulauf zu populistischen Vereinfachern und Vereinfacherinnen. Lösungen sind das nicht. Es gibt auch nicht die Lösung!
Was die Menschen aber brauchen ist Halt, und diesen Halt finden sie nicht in den Echoräumen der Sozialen Medien, in irgendwelchen Ideologien, sondern auf Dauer nur bei echten Menschen vor Ort.
Diese leben in ihrer Stadt, in ihrem Dorf, nicht anonym, sondern konkret in der Nachbarschaft, in der örtlichen Gemeinschaft, die sie mitgestalten und mit Gemeinschaftsleben füllen können. Hier setzt kommunale Selbstverwaltung ein und an!
Wer vor Ort erlebt, wie er oder sie auf Entscheidungen Einfluss nehmen kann, oder gar mitentscheiden, mitanpacken und mitgestalten kann, wird sich viel weniger „ausgeliefert“ fühlen, „begreift“ im wahrsten Sinne des Wortes Demokratie.
Dazu brauchen die Kommunen aber auch Gestaltungsmöglichkeiten; aus meiner Sicht sind diese in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend verloren gegangen.
Ursache dafür ist für mich in erster Linie, dass die „große Politik“ zu viel selbst regeln will oder glaubt regeln zu müssen (auch Gerichte helfen dabei gelegentlich kräftig mit). Das geschieht alles mit bester Absicht, es soll ja alles perfekt, alles gerecht und gleich sein. Und es dürfen keine Fehler gemacht werden! Das würde ja schlechte Kommentare in Presse und sozialen Medien bedeuten.
Kommunale Selbstverwaltung aber braucht das Recht auf „Fehler“. Sie muss selbst entscheiden können und nicht nur Rechtsvorschriften vollziehen. Sie sollte z. B. entscheiden können, wie sie die Betreuung von Kindern organisiert und nicht nur „Rechtsansprüche“ erfüllen und dann noch mitgeteilt bekommen, wie genau sie diese Ansprüche zu erfüllen hat. Das hat nichts mit kommunaler Verantwortung zu tun.
Wir müssen weg davon, dauernd neue Ansprüche zu formulieren! Das führt zur Überforderung der Kommunen. Politik in und für Kommunen muss wieder möglich sein, statt den Kommunen dauernd neue Pflichten aufzuerlegen.
Ermöglichen setzt zunächst einmal mehr rechtlichen Freiraum bei der Gestaltung der örtlichen Angelegenheiten voraus. Mangelnder Freiraum birgt die Gefahr, dass wir den Mut zu eigenen Entscheidungen verlernen. Ermöglichen heißt, den finanziellen Spielraum der Kommunen zu erweitern.
Ich bin der festen Überzeugung, je mehr Freiheit den Kommunen überlassen wird, desto stärker ist der Zusammenhalt vor Ort, desto mehr Vertrauen in die Politik und Politik insgesamt entsteht, weil die Menschen Demokratie konkret und unmittelbar erfahren und sehen, dass Teilhabe wirkt. Dafür zu kämpfen war, ist und bleibt die Aufgabe der Kommunalen Spitzenverbände und sie stellt sich immer wieder neu.
Liebe Leserinnen und Leser, dies war nun das letzte Mal, dass ich mich an dieser Stelle mit dem „Bericht des Vorsitzenden“ an Sie wenden durfte. Ich habe gerne über 16 Jahre hinweg Fragen der kommunalen Selbstverwaltung kommentiert. Mein Ziel war und ist es, Mut zu machen, sich vor Ort zu engagieren – allen Widrigkeiten zum Trotz. Es lohnt sich!
Für Ihre Zukunft in Ihrer Stadt, Ihrem Dorf viel Erfolg. Bleiben Sie engagiert!
Herzlichst
Ihr Aloysius Söhngen
(Noch-)Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz