Herausforderungen durch die steigende Zahl geflüchteter Menschen
Die Lage in den Kommunen in Rheinland-Pfalz ist im Hinblick auf die hohe Zahl der Kriegsvertriebenen aus der Ukraine (über 43.200 Menschen) und der aus anderen Ländern geflüchteten Menschen (bislang über 7.300 in 2022) sehr angespannt. Es fehlt insbesondere an Unterbringungsmöglichkeiten. Anmietung von Hotelzimmern, Beschaffung von Containern (sofern überhaupt auf dem Markt verfügbar), Vorbereitung von Turnhallen, all das ist bereits Realität. Zudem finden anerkannte Asylbewerber auf dem freien Wohnungsmarkt keinen Wohnraum und sind daher weiter in den kommunalen Wohnungen untergebracht.
Um dieser Situation Herr zu werden, brauchen wir dringend einen Kraftakt von Bund, Ländern und Kommunen. Es ist zu begrüßen, dass das Land seine Kapazitäten in den Erstaufnahmeeinrichtungen von 4.718 auf 6.900 Plätze erhöht. Eine weitere Aufstockung auf die im Jahr 2015 vorgehaltenen 8.300 wäre hilfreich.
Der Bund sollte seine Liegenschaften, die er, wie angekündigt, zur Verfügung stellen will, schnell in einen Zustand bringen, der die Unterbringung der Menschen ermöglicht. Erforderlich ist auch, mal wieder ganz unromantisch, eine verbindliche Zusage von Bund und Ländern, dass die entstehenden Kosten übernommen werden.
Dass aus der Ukraine insbesondere Frauen und Kinder kommen, hat Auswirkungen auf die Belegung von Kita- und Schulplätzen. Das verschärft den ohnehin bestehenden Mangel an Kita-Plätzen. Wir brauchen in diesem Zusammenhang dringend mehr Spielraum. Dieser Hilferuf soll verbunden sein mit der Bitte, der Realität ins Auge zu sehen. Wir müssen bestehende Standards der Betreuung und Beschulung flexibilisieren oder aussetzen, andernfalls werden wir die Probleme nicht lösen können.
Neustart im Zivil- und Katastrophenschutz erforderlich
Wir brauchen ganz sicher einen Neustart im Zivil- und Katastrophenschutz. Die verheerende Flutkatastrophe im Ahrtal hat deutliche Defizite z. B. bei den Warnsystemen aufgezeigt. Die jüngsten Angriffe auf die Infrastruktur der Deutschen Bundesbahn, aber auch der Angriff auf die Pipeline in der Ostsee und via Hacken auf Behörden und Versorger zeigen ein gewaltiges Bedrohungspotential. Notwendig ist eine langfristige Strategie mit einer besseren Ausrüstung unserer Feuerwehren, der Einrichtung von überregionalen Krisenstäben, der Bevorratung von lebensnotwendigen Mitteln und Gerätschaften wie z. B. Notstromaggregaten, netzunabhängige Wasservorräte, Medikamente etc. Und wir müssen über das Üben von Krisensituationen wieder mehr das Bewusstsein für die Gefahren und die Sinnhaftigkeit der Eigenvorsorge der Bevölkerung stärken. Der Staat wird nicht in jeder Situation unmittelbar und schnell helfen können. Dazu gehört z. B. eine Eigenbevorratung von Lebensmitteln, Wasser, wichtigen Medikamenten, Kommunikationsmitteln wie Kurbelradios und das Wissen um die möglichen Verhaltensweisen in einer solchen Krise und die richtige Reaktion.
Der GStB-Landesausschuss hat in seiner jüngsten Sitzung die Einsetzung einer Arbeitsgruppe beschlossen, die sich zusammen mit dem Arbeitskreis Feuerwehr des kommunalen Zivilschutzes annimmt. Neben der erforderlichen politischen Diskussion bei der Neugestaltung des gesetzlichen und finanziellen Handlungsrahmens wird diese Gruppe auch Handreichungen, Checklisten und gute Beispiele aus der Praxis beraten.
Neustart beim Schuldenabbau auf dem Weg
Immer wieder habe ich an dieser Stelle eine Lösung für das Problem der enormen kommunalen Liquiditätskredite angemahnt. Gerade im Hinblick auf das steigende Zinsniveau sind die kommunalen Altschulden in Rheinland-Pfalz ein Pulverfass und bedrohen die Handlungsfähigkeit vor Ort. In diesen schwierigen Zeiten gibt es nun seitens des Landes ein wirklich bemerkenswertes Hoffnungssignal: Ende September ist der Entwurf eines Landesgesetzes zur Altschuldenregelung auf den Weg gebracht worden. Besonders erfreulich ist, dass ein konstruktiver Austausch dazu geführt hat, dass nahezu alle betroffenen Ortsgemeinden und ehrenamtlich geführten Städte von der Regelung profitieren können. Auf Drängen des GStB berücksichtigt der Gesetzesentwurf nunmehr auch die Einheitskasse. Es werden volle 3 Milliarden Euro ausgeschüttet und damit mehr als 50 % der Liquiditätskredite übernommen. Dabei werden auch die KEF-Kommunen miteinbezogen. Die Altschuldenlösung durch das Land ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung. In einem zweiten Schritt muss nun der Bund folgen und seine Zusagen aus dem dortigen Koalitionsvertrag zur Übernahme der (anderen) Hälfte einlösen. Dabei muss sichergestellt werden, dass wir nicht in wenigen Jahren wieder vor dem gleichen Problem stehen. Echte Handlungsspielräume werden unsere Gemeinden und Städte erst erhalten, wenn sie grundsätzlich genug Finanzmittel erhalten, um ihre Aufgaben daraus zu bestreiten, ohne neue Schulden zu machen. Das Instrument dazu ist der Kommunale Finanzausgleich. Ob der dazu in den Landtag eingebrachte Gesetzesentwurf diesen Anforderungen genügt, werden wir sehr genau beobachten
Also, es gibt viel zu tun, langweilig wird es sicher auch in den nächsten Monaten und Jahren nicht.
Herzliche Grüße
Ihr Ralph Spiegler
GStB-Bericht aus Gemeinde und Stadt 10/2022