Krieg in Europa – Zeitenwende auch in der Kommunalpolitik –Bericht des Vorsitzenden April 2022


Aktuell erleben wir Preissteigerungen, die eine scheinbar ungebremste Dynamik haben. Die Inflation liegt bei über 7 % und wird nach den Prognosen im Durchschnitt bei über 6 % liegen – so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr. Das Wirtschaftswachstum geht zurück, die Energiepreise erreichen ungeahnte Höhen. Erste Einbrüche bei Lieferketten, zum Beispiel im Baubereich, aber auch bei den elektronischen Bausteinen zeichnen sich ab. All das wird gravierende Auswirkungen auf die Menschen, die Wirtschaft, die Kommunen, aber auch Bund und Länder haben. Die Steuereinnahmen werden sinken und vieles, was wir uns vorgenommen haben, wird nicht – jedenfalls nicht kurzfristig – umsetzbar sein. Die Politik wird nicht alle Nachteile durch immer neue Entlastungspakete ausgleichen können. Unsere Welt hat sich maßgeblich gewandelt.

Bund-Länder-Einigung hilft

Mit der Aktivierung der Massenzustrom-Richtlinie (was für ein furchtbares Wortmonstrum) musste schnell gehandelt werden, damit die Aufnahme, Registrierung, Unterbringung und Integration der aus der Ukraine geflüchteten Menschen im Rahmen dieses neuen Systems erfolgen kann. Die Kommunen haben hierbei eine noch zentralere Rolle inne als im System des Asylverfahrens. Gleichzeitig kommen viele an ihre personellen Grenzen. Ohne die zahlreichen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer sähe es noch dramatischer aus. Und ob nicht auch hier recht schnell die Kräfte erlahmen, bleibt abzuwarten. Noch gibt es ausreichend Wohnraum, oftmals ausdrücklich für Geflüchtete aus der Ukraine, anders sieht es mittlerweile in der Kinderbetreuung und in den Schulsystemen aus.

Anfang April haben sich Bund und Länder nunmehr über die Finanzierung geeinigt. Hilfsbedürftige Geflüchtete aus der Ukraine werden künftig wie anerkannte hilfsbedürftige Asylsuchende finanziell unterstützt und erhalten ab dem 1. Juni 2022 Leistungen nach dem Zweiten bzw. Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, sofern eine Registrierung im Ausländerzentralregister erfolgt ist und eine aufgrund der Registrierung ausgestellte Fiktionsbescheinigung oder ein Aufenthaltstitel vorliegt. Auch bei den Aufwendungen der Länder und Kommunen, die ihnen durch die Bereitstellung von Kinderbetreuungs- und Bildungsplätzen entstehen, wird sich der Bund beteiligen, indem die Länder einen Abschlagsbetrag in Höhe von 1 Mrd. Euro Umsatzsteuerverteilung erhalten. In dem Zusammenhang wird entscheidend sein, dass das Land diese Mittel zügig und unbürokratisch an die gesamte kommunale Familie weitergibt. Erwähnt sei zudem, dass bereits für 2023 weitere Mittel in Aussicht gestellt sind und es eine etwaige Nachsteuerung aufgrund der dann aktuellen Zahlen geben wird. Weil wir in der Zukunft immer häufiger mit Flüchtlingsströmen rechnen müssen, sind solche punktuellen Verhandlungen von Bund und Ländern nicht der Weisheit letzter Schluss. Erforderlich ist vielmehr eine dauerhafte Lösung. Hierzu gehört auch die seit Jahren dringend erforderliche Reform des Landesaufnahmegesetzes.

Flexibilisierung und Bürokratieabbau dringender denn je erforderlich

Vor dem Hintergrund des Krieges erfahren wir täglich, wie wichtig Freiheit und Demokratie sind und dass es sich lohnt, dafür einzustehen. Gerade weil die Herausforderungen so vielfältig sind, ist dies zugleich die Chance, pragmatische und neue Lösungen zu entwickeln und bürokratische Hemmnisse zu überwinden.

Wir werden zur Schaffung der vielen neuen Plätze in Schulen und der Betreuungsmöglichkeiten für Kita-Kinder schneller, unbürokratischer und effektiver werden müssen. Das reicht von der Bereitstellung zusätzlicher Grundstücke, der Beschleunigung von Baugenehmigungsverfahren bis hin zu der Erkenntnis, dass wir viele Geflüchtete, die teilweise Berufserfahrung als Erzieherinnen und Erzieher haben, für diese Aufgabe gewinnen müssen. Dies wiederum erfordert eine zügige Anerkennung von in der Ukraine erworbenen Berufsabschlüssen, auch wenn sie nicht in jeder Hinsicht den deutschen Ausbildungsmaßstäben entsprechen. Wir brauchen den Dreiklang von Registrierung, gleichmäßiger Verteilung und möglichst schneller Integration. Gerade in ländlichen Räumen gibt es Kapazitäten, die genutzt werden sollten. Das ist ein zentrales Kommunikationsproblem und man muss den Familien vermitteln, dass die Lebensbedingungen für sie und ihre Kinder auch außerhalb der teilweise schon überfüllten Metropolregionen nicht mit den Umständen ländlicher Räume in der Ukraine vergleichbar sind und dass die Integrationskraft kleiner Städte und Gemeinden eine große Chance bietet. 


GStB-Bericht aus Gemeinde und Stadt 04/2022