Bericht des Vorsitzenden April 2020


Wir haben neue Routinen lernen müssen und diese werden zur Gewohnheit werden. „Abstand halten“ wird oberstes Gebot bleiben – mit oder ohne Mundschutz! Und manche lieb gewordene Gewohnheit wird mit Rücksicht auf die Gesundheit von uns selbst und/oder anderen aufgegeben werden müssen! Die Rückkehr zur „Normalität“ wird kein einfaches „Weitermachen“ wie vor Beginn der Pandemie sein, es werden sich auch Prioritäten und Normen verändern.

Es wird eine MIT-Corona-Virus-Normalität sein. Auch für uns im öffentlichen Leben hat sich in den vergangenen Wochen Vieles verändert. Für den Unterzeichner, der normalerweise einige zigtausend Kilometer im Jahr auf dem Weg zu Sitzungen, Besprechnungen und Veranstaltungen zurücklegt, ist plötzlich „fahrfrei“. Nicht abgesagte Termine finden, sofern möglich, als Video- oder Telefonkonferenzen statt. Die Ratssitzungen können nicht mehr stattfinden und große Teile der Verwaltung sind nicht im Büro, sondern im Homeoffice.

Also, mehr Telefon als persönlicher Kontakt dominieren den Arbeitsalltag. Nun hat diese schwierige Situation vor Ort aber auch einiges bewegt. Für mich ist es erstaunlich, wie diszipliniert sich die Menschen an die extrem harten Verhaltensregeln halten. Desweiteren ist es für mich wichtig und gut zu sehen, wie auch der lokale Einzelhandel, soweit irgend möglich, neue Angebote kreiert hat, um z. B. mit Liefer- und Abholservice Kunden zu halten, bis hin zur raschen Entwicklung von gemeinsamen lokalen Online-Angeboten und -Plattformen.

Ich freue mich aber insbesondere über das große Engagement in unseren Dörfern und Städten. Die Bereitschaft anzupacken, wo Hilfe gebraucht wird, hat ganz neue „Nachbarschaftsnetzwerke“ überall im Land entstehen lassen, von Einkaufs- und Fahrthilfen bis zu Arztbesuchen o. ä. Dies wurde alles in kurzer Frist und entsprechend den örtlichen Erfordernissen organisiert und ist ein Beweis für den Gemeinsinn im Land. Es zeigt: Unsere Gemeinden sind mehr als Wohngemeinden, sondern (auch oder immer noch) Gemeinwesen mit gelebter Solidarität.

Solidarität benötigen die Gemeinden in den kommenden Monaten und Jahren aber auch von Land und Bund. Dass unsere finanzielle Situation angesichts der extrem hohen Schuldenstände der Gemeinden und Gemeindeverbände in der Vergangenheit schon nicht rosig war, ist an dieser Stelle schon öfter dargelegt worden. Was uns jetzt droht, ist ein nie da gewesener Einbruch insbesondere bei der Gewerbesteuer. Hier benötigen wir einen „ finanziellen Schutzschirm“ für die Kommunen. Die an die Kreise gezahlten 100 Millionen Euro reichen hier nicht. In den Kassen der Ortsgemeinden und Städte werden mindestens 500 Millionen Euro fehlen! Dies ist schon jetzt absehbar angesichts selbst positivster Prognosen.

Und ein Weiteres muss unbedingt angegangen werden: Für den erneuten Fall einer solchen Krise brauchen wir rechtlich abgesichert die Möglichkeit „virtueller Ratssitzungen“, um die gewählten Ratsmitglieder in angemessener Weise an Entscheidungen teilhaben zu lassen und um Ratsarbeit auch unter schwierigen Bedingungen zu ermöglichen. Es ist klar, dass die Video-Konferenz des Rates nicht gleichwertig mit einer „richtigen“ öffentlichen Ratssitzung ist, aber es ist mehr als der völlige Stillstand der Ratsarbeit und damit einhergehend wichtiger Projekte bzw. der Durchführung von Projekten, ohne dass der Rat darüber beraten könnte. Hierüber wollen wir bald mit dem Landesgesetzgeber diskutieren.

Liebe Leserinnen und Leser, Sie sehen, trotz oder wegen Corona tut sich einiges. Bleiben wir zuversichtlich!

Ihnen allen wünsche ich:

Bleiben Sie gesund!
Herzlichst
Ihr

Aloysius Söhngen


GStB-Bericht aus Gemeinde und Stadt 04/2020

Aloysius Söhngen
Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes