Bericht des Vorsitzenden August 2017


Wahlkampfversprechen und zentrale Herausforderungen der künftigen Politik

Mit der fortschreitenden Globalisierung und deren Folgen wie dem Umgang mit den Flüchtlingen sowie der Integration von Asylberechtigten, der Digitalisierung und dem Demografischen Wandel steht Deutschland vor zentralen Herausforderungen, die unsere Politik in den nächsten Jahren bestimmen werden. Wie hiermit umgegangen wird, wird maßgeblich über die Zukunft des Landes entscheiden und darüber, wie wir unseren Sozialstaat sichern und zukunftsfest machen.

Hierzu gehören auch die Stärkung des ländlichen Raums, die Schaffung einer nachhaltigen Investitionsoffensive sowie die Ermöglichung einer nachhaltigen Stadtentwicklung mit einer Wohnungsbauoffensive, die Umsetzung einer Verkehrs- und der Energiewende, die Stärkung der inneren Sicherheit und nicht zuletzt die Gestaltung der Zukunft Europas. Dieses kann nur gemeistert werden, wenn die kommunalen Belange in der künftigen Bundespolitik zentrale Beachtung finden.

Kommt der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern?

Die Politik muss einen Weg finden, wie die Errungenschaften unseres Sozialstaates gesichert werden können. Hierzu gehört einerseits, Sozialgesetze zu vereinfachen und Bürokratie abzubauen, aber andererseits auch im Blick zu behalten, dass der Staat nur das verteilen kann, was er dem Bürger vorher abgenommen hat. Hier ist Skepsis geboten. Sowohl SPD als auch CDU fordern einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern. Man kann dieser Idee nähertreten. Wer das fordert, muss aber Antworten liefern, wo die Betreuer, die Räume und das Geld hierfür herkommen sollen und die Kommunen finanziell entsprechend ausrüsten. Gerade die Erfahrungen bei der Einführung des „kostenlosen Kitaplatzes“ haben gezeigt, wie groß die Gefahr ist, dass eine komplette Gegenfinanzierung für unsere Kommunen nicht realisiert wird.

Stärkung der kommunalen Finanzkraft

In der neuen Legislaturperiode muss endlich die Reform der Grundsteuer umgesetzt werden, damit diese wichtige kommunale Steuer verfassungsfest wird. Gleichzeitig muss das Ziel konsequent weiterverfolgt werden, dass auf Städte und Gemeinden nicht immer wieder neue Aufgaben ohne angemessene Finanzierung übertragen werden. Wer bestellt, bezahlt!

Digitalisierung ist mehr als E-Government

Viel stärker als bisher geschehen müssen wir die Auswirkungen der Digitalisierung in den Blick nehmen, gestalten und – wo notwendig – ein Tätigwerden der Politik einfordern. Die Digitalisierung wird noch schneller als die Globalisierung das Leben, die Wirtschaft und die Verwaltungen verändern. Sie bietet große Chancen, die Lebensqualität in der Stadt und auf dem Land zu verbessern und neue Innovationsräume - von vernetzten und abgestimmten Mobilitätskonzepten über online ausgestaltete Nahversorgungskonzepten bis hin zu Telemedizin und einer verbesserten interkommunalen Kooperation - zu schaffen.

Das wird allerdings nur funktionieren, wenn wir den Mut haben, die Chancen zu nutzen, ohne die Risiken zu vernachlässigen. Notwendig ist deshalb ein gesellschaftspolitischer Diskurs, wie wir uns die digitale Welt in Zukunft vorstellen und welche Regeln gelten sollen. Wenn wir diese Entwicklung verschlafen, werden uns andere die Chance nehmen und die Regeln vorschreiben.

Mit dem Leitmotiv „Global, digital, kommunal“ werden wir auf der 70. Mitgliederversammlung des GStB am 13. November 2017 in Ingelheim erste Anregungen und Vorschläge diskutieren und aufgreifen.

Ärztliche Versorgung flächendeckend sicherstellen

Neben der Digitalisierung bleibt die Gestaltung des Demografischen Wandels als Schüsselaufgabe auf der Agenda. Von der Familien- und Bildungspolitik, über den drohenden Fachkräftemangel und die Sicherung unseres Rentensystems bis hin zur Gestaltung von Mobilitätskonzepten - der Prozess durchdringt sowohl in der Stadt als auch auf dem Land nahezu alle Politikbereiche von Bund, Ländern und Kommunen. Ganz besonders ist er aber bereits heute bei der Frage zu spüren, wie auch in der Fläche eine ärztliche Versorgung sichergestellt werden kann. An Ärzten mangelt es im Land nicht. Allerdings sind diese regional sehr unterschiedlich verteilt. Mancherorts gibt es eine Überversorgung, etwa in einem Drittel der Planungsbereiche aber eine Unterversorgung, gerade bei den Hausärzten. Zwar sind die Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet, die ärztliche Versorgung sicherzustellen, jedoch gelingt das immer weniger. Dies beeinträchtigt die Lebenssituation insbesondere in den strukturschwachen ländlichen Gebieten.

Um auch künftig eine flächendeckende ärztliche Versorgung sicherzustellen, ist ein ganzes Maßnahmenbündel erforderlich. Der Stellenwert der Allgemeinmedizin in der Medizinerausbildung muss erhöhten werden z. B. durch ein Pflichtpraktikum beim Hausarzt. Die ärztliche Selbstverwaltung hat die Aufgabe, nicht immer auf mehr Spezialistentum zu setzen. Bei der Honorierung dürfen Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner nicht schlechter gestellt werden als Fachärzte. Auch die Möglichkeiten der Telemedizin müssen weiter ausgebaut werden.

In ländlichen Regionen sind Gemeinschaftspraxen, Ärztehäuser und lokale Gesundheitszentren so weiterzuentwickeln, dass Haus- und Fachärzte, medizinische Fachangestellte oder Arztassistentinnen und Pflegekräfte gemeinsame Leistungen anbieten.

Erste Schritte wurden in Rheinland-Pfalz z.B. mit Projekten zur Telemedizin, aber auch durch die Förderung von Niederlassungen in ländlichen Gebieten gemacht.

Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Einbeziehung der Krankenhäuser und die Förderung von Ärztezentren. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Ärztemangels im ambulanten Bereich kommt gerade den ländlichen Krankenhäusern eine besondere Bedeutung in der wohnortnahen Grund- und Regelversorgung zu.

In den Kommunen wird künftig die Ärztewerbung ein ähnliches Standortmarketing erfordern wie die Ansiedlung von Betrieben und Unternehmen. Dazu gehört, einen frühzeitigen Aktionsplan bei drohender Schließung einer Arztpraxis mit der Kassenärztlichen Vereinigung zu entwerfen. Mittelfristig werden wir das Problem nur lösen, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen und die Herausforderungen erkennen und lösen.

Es gibt viel zu tun, packen wir's an.

Herzlich

Ihr Ralph Spiegler


GStB-Bericht aus Gemeinde und Stadt 8/2017

Ralph Spiegler
Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes RP