Freiwillige Vereinbarung zur Sitzgemeinde
Als Sitzgemeinde der Verbandsgemeindeverwaltung wurde in einer freiwilligen Vereinbarung wegen der zentralen Lage und dem dortigen neueren und größeren Rathaus die Ortsgemeinde Waldsee festgelegt. In allen Ortsgemeinden werden den Gemeindegrößen entsprechende Bürgerbüros betrieben und im Altriper Rathaus wurden das Personal der Verbandsgemeindewerke und Verbandsgemeindekasse untergebracht. Auf einen neuen Namen konnte man sich nicht einigen. Letztlich wurde nach Umfragen in der Bürgerschaft und mehrheitlichen Ratsbeschlüssen gegen den Willen der Sitzgemeinde der Verwaltung der neue Name Verbandsgemeinde Rheinauen durch Landesgesetz zum 01.01.2016 festgelegt.
Die Kommunalpolitiker in allen Gemeinden standen der Verwaltungsreform sehr skeptisch gegenüber. Alle sahen sich in der alten Struktur als finanzstarke Gemeinden gut aufgestellt und haben der Neubildung der Verbandsgemeinde letztlich nur deshalb freiwillig zugestimmt, weil man einer Klage gegen die Reform angesichts der von der festgelegten Mindestgröße stark abweichenden Einwohnerzahlen keine Erfolgschancen einräumte und man sich letztlich die Hochzeitsprämie, einen Disparatätenausgleich und weitere direkte Finanzmittel von zusammen ca. 3,6 Millionen Euro sowie Zusagen für verschiedene Projektförderungen sichern wollte.
Die neue Verbandsgemeinde ist schuldenfrei mit einer Verbandsgemeindeumlage von 25 % gestartet und hat die Fusionsprämien fast ausschließlich den Ortsgemeinden zugeführt.
Angesichts der Größe der Gemeinden hat man die Trägerschaften für die Grundschulen bei den Ortsgemeinden belassen, weiterführende Schulen gibt es in der Verbandsgemeinde nicht.
Im Bereich der Abwasserbeseitigung bestehen drei unterschiedliche und praktisch nicht veränderbare Strukturen: Aus Altrip wird das Abwasser nach Norden ins Netz der Stadt Ludwigshafen, aus Waldsee/Otterstadt nach Süden zur Kläranlage der Stadt Speyer und aus Neuhofen nach Westen zur Kläranlage Limburgerhof gefördert. Die Abwassergebühren differieren um über 100%. Die Wasserversorgung erfolgt in Altrip überwiegend durch eine Belieferung von den Technischen Werken Ludwigshafen, während die anderen Ortsgemeinden Mitglieder des Zweckverbandes Pfälzische Mittelrheingruppe sind.
Für die neue Verbandsgemeindeverwaltung ist inzwischen das Rathaus in Waldsee erweitert worden und im Bereich des Brandschutzes stehen vier auf der Grundlage eines Feuerwehrbedarfsplanes erhebliche Investitionen in die vier Feuerwehrgerätehäuser und für Fahrzeugbeschaffungen an.
Die Struktur der vier Ortsgemeinden entlang des Rheins zwischen den Städten Speyer und Ludwigshafen hat sich von früherer landwirtschaftlicher Prägung hin zu stadtnahen Wohngemeinden mit mittelständischen Gewerbestrukturen entwickelt.
Auf den durchweg fruchtbaren Ackerböden (ca. 2.300 ha), von denen große Teile durch die
Feldberegnung des Beregnungsverbandes Vorderpfalz mit Wasser aus einem großen Altrheinarm bewässert werden können und wegen des milden vorderpfälzischen Klimas dominieren der Anbau von Frühkartoffeln, Salaten, Radieschen, Karotten u.a. Gemüsearten, aber auch Spargeln, Zuckerrüben, Mais und Getreide werden noch angebaut. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch reduziert und gleichzeitig die Betriebsfläche der aktiven Betriebe erhöht.
Die Statistik über die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zeigt, dass heute ca. 75 % der Einwohner/innen der Verbandsgemeinde ihren Arbeitsplatz außerhalb der Verbandsgemeinde in den umgebenden Städten der Metropolregion Rhein-Neckar haben.
Die Verkehrsanbindungen in westlicher Richtung an die vierspurige B9 und die A61 sind sehr gut, eine Fährverbindung zwischen Altrip und Mannheim stellt die Beförderung der hohen Zahl an Auspendlern nach Mannheim einigermaßen sicher. Ein direkter Bahnanschluss besteht leider in der Verbandsgemeinde nicht.
Weiterhin hohe Nachfrage nach Baugebieten
In allen Gemeinden sind in den letzten Jahrzehnten große Baugebiete ausgewiesen worden, was große Einwohnerzunahmen zur Folge hatte, und es besteht nach wie vor eine große Nachfrage nach Baugrundstücken und Bestandsimmobilien. Im Rahmen der beauftragten Aufstellung eines Flächennutzungsplanes für die neue Verbandsgemeinde sollen weitere Baugebiete und Gewerbeflächen ausgewiesen werden.
Eine große Bedeutung hat in der Verbandsgemeinde die sogenannte Naherholung. In den letzten Jahrzehnten haben sich an den Altrheinarmen und Baggerseen viele Wassersport treibende Vereine angesiedelt und insgesamt gibt es hier ca. 3.000 Dauercampingparzellen auf mehreren Campingplätzen.
Die eigene traditionsreiche Geschichte und die Größe der einzelnen Ortsgemeinden sowie das jeweils ausgeprägte und vielfältige Vereinsleben bedingen eine große Eigenständigkeit der Ortsgemeinden, was bei der Vereinbarung zur freiwilligen Bildung der Verbandsgemeinde im Hinblick auf ein zu erwartendes Zusammengehörigkeitsgefühl vielleicht etwas unterschätzt wurde.
Aufgabe der neuen Verbandsgemeinde wird es nun sein, Synergieeffekte aus der Zusammenlegung von drei zu einer Verwaltung herauszuarbeiten und entsprechende Kosten einzusparen, um zumindest in diesem Bereich die Sinnhaftigkeit dieser Verbandsgemeindebildung erklären zu können.
Weitere Informationen: www.vg-rheinauen.de
Beitrag aus Gemeinde und Stadt 04/2016