Die Entwicklung zu vermehrten Bedrohungen wird durch Wahlerfolge populistischer und extremer Gruppierungen ausgelöst bzw. noch verstärkt. Eine Verrohung der Debattenkultur verbindet sich mit persönlichen Anfeindungen und Verunglimpfungen von Mandatsträgern. Dieser schleichende Prozess stellt die Zukunft der Demokratie vor Ort infrage.
Die drei Verbände der kommunalen Wahlbeamten aus Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen haben diese Entwicklung bei ihrer gemeinsamen Sitzung am 20. Januar 2020 im rheinlandpfälzischen Sprendlingen-Gensingen mit großer Sorge zur Kenntnis genommen.
Nach breitem Erfahrungsaustausch und intensiver Bewertung der besorgniserregenden Problematik haben sich die drei Verbände der kommunalen Wahlbeamten der Resolution des Deutschen Städte- und Gemeindebundes angeschlossen.
Hier heißt es unter anderem:
„Derartige Handlungen sind ein direkter Angriff auf unsere Demokratie. Diese Taten können ernsthafte Auswirkungen auf die Stabilität und Funktionsfähigkeit unseres demokratischen Gemeinwesens haben. Wer für seinen Einsatz für ein funktionierendes Miteinander in den Städten, Gemeinden und Kreisen verbal oder körperlich angegriffen und bedroht wird, verdient den Schutz und die Unterstützung des Staates und der gesamten Gesellschaft.
Beleidigungen und Bedrohungen führen bei den Betroffenen zu erheblichen seelischen und psychischen Belastungen. Strafrechtliche Verfahren sind in der Regel langwierig und führen teilweise zu nur schwer nachvollziehbaren Ergebnissen. Besonders alarmierend ist, dass auch immer stärker Angehörige und Familien von kommunalen Amts- und Mandatsträger/innen zur Zielscheibe von Beleidigungen, Drohungen und Gewalt werden.
Beleidigungen, Bedrohungen und Gewalt gegen kommunale Amts- und Mandatsträger/innen sowie gegen Mitarbeiter/innen in den Verwaltungen sind immer auch ein Angriff auf unsere Demokratie und unsere rechtsstaatliche Ordnung. Gemeinsam müssen Bund, Länder und Kommunen Sorge dafür tragen, dass diese Personen, die sich in besonderer Weise für unser Allgemeinwohl einsetzen, effektiv unterstützt und geschützt werden.
Unsere Gesellschaft muss konsequent gegen Beleidigungen, Bedrohungen und jegliche Formen der Gewalt gegen kommunale Amts- und Mandatsträger/innen sowie gegen Mitarbeiter/innen des öffentlichen Dienstes vorgehen. Sie müssen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln des wehrhaften Rechtsstaates bekämpft und strafrechtlich konsequent verfolgt werden.
Kommunale Amts- und Mandatsträger/innen sowie die Mitarbeiter/innen des öffentlichen Dienstes nehmen für das Gemeinwesen wichtige Aufgaben mit großem persönlichem Engagement wahr. Sie verdienen dafür besondere Achtung, Respekt und insbesondere staatlichen Schutz.“
Um gegen diese beschämende und gefährliche Entwicklung vorzugehen, sind nach Auffassung der drei Landesverbände insbesondere unter Bezugnahme auf die o.g. Resolution des DStGB folgende Maßnahmen zwingend geboten:
- Zur Anerkennung von kommunalen Amts- und Mandatsträgern und anderen Politikern brauchen wir mehr Aufklärung, mehr politische Bildung in den Schulen, mehr offenen Austausch von Angesicht zu Angesicht. Was im Netz gesagt wird, wird in der Regel in diesem Tonfall im persönlichen Gespräch nicht eins zu eins wiederholt. Zudem kann in persönlichen Gesprächen viel mehr getrennt werden zwischen dem, was wirklich als Problem angesehen wird, und der Person, die für die Politik vor Ort steht. Die Probleme müssen ernst genommen und sachlich diskutiert werden, während zugleich persönliche Anfeindungen als Mittel der Kommunikation ausgeschlossen werden müssen.
- Zugleich gilt es, Öffentlichkeit zu schaffen und auf die aktuelle Situation von Kommunalvertretern und auch vielen Ehrenamtlichen und Beschäftigten des öffentlichen Dienstes aufmerksam zu machen, die digital oder in der Öffentlichkeit bedroht und eingeschüchtert werden. Wir müssen alle Bürgerinnen und Bürger für diese Zustände sensibilisieren und sie motivieren, den Betroffenen beizustehen und öffentlich für sie einzustehen. • Die Landesregierungen haben präventive Maßnahmen deutlich zu verstärken und die dafür zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel zu erhöhen. So müssen zum Beispiel Landespräventionsräte, der Verfassungsschutz sowie die Polizeibehörden in geeigneter Weise in die Lage versetzt werden, effektiv gegen Beleidigungen, Drohungen, Hass und Gewalt zu Lasten von kommunalen Amts- und Mandatsträger/innen sowie Mitarbeiter/innen in den Verwaltungen zu arbeiten. Gleiches gilt für die Strafverfolgungsbehörden. Hier sollte überlegt werden, entsprechende Schwerpunktstaatsanwaltschaften einzurichten.
- Die Bundesländer sollten eine/einen Ombuds-frau/Ombudsmann einführen, an den sich insbesondere diejenigen wenden können, die im öffentlichen Leben stehen und so als „Repräsentanten des Staates“ mit Beleidigungen, Drohungen, Hass und Gewalt konfrontiert wurden und werden. Eine/ein solcher Beauftragte(r) sollte idealerweise selbst berufliche oder ehrenamtliche Erfahrungen auf der kommunalen Ebene mitbringen.
- Die Landesregierungen und insbesondere die Polizei- und Verfassungsschutzbehörden sollten in einem Informationssystem sicherstellen, dass betroffene Amts- und Mandatsträger/innen unverzüglich über alle Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden unterrichtet werden. Amts- und Mandatsträger/innen müssen – unter Berücksichtigung ermittlungstaktischer Gesichtspunkte – zu ihrer Sicherheit umgehend informiert werden, wenn sie auf sogenannten „Feindeslisten“ stehen oder ihre Namen auf sogenannten „Schwarzen Listen“ kursieren.
- Die Verantwortlichen für Plattformen sozialer Netzwerke haben sicherzustellen, dass Beleidigungen und Verleumdungen und vor allem Aufrufe zur Gewalt umgehend gelöscht, die Identität der Täter festgehalten und entsprechende Vorgänge zur Anzeige gebracht werden.
Kommunale Amts- und Mandatsträger/innen müssen wirksam geschützt werden. Und alle sind aufgerufen, sich aktiv für den Schutz von Demokratie und Rechtsstaat vor Ort einzusetzen.